nd-aktuell.de / 08.11.2000 / Politik / Seite 15

»Gesetz zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung« verabschiedet

dern auch von den Eltern zu wahren. Erziehungsmittel, die das Wohl des Kindes gefährden, müssen vom Staat untersagt wer den, zwingen ihn aber auch dazu, gesellschaftliche Bedingungen zu schaffen, die geeignet sind, die Gewaltanwendung aus der Familie zu verbannen.

Mit dem 2. Satz der Neufassung »Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig«, wurde klargestellt, dass die bereits unter strafrechtlichen Aspekten bedeutsame Misshandlung von Kindern nicht mit dem elterlichen Erziehungsrecht gerechtfertigt wer den kann.

Körperliche Bestrafungen in jeder Form sowie seelische Herabsetzungen sind keine vertretbaren Er Ziehungsmittel und daher aus der Erziehung der Kinder zu verbannen. Es darf jedoch nicht übersehen werden, dass allein mit den bereits bestehenden strafrechtlichen Normen das Problem nichtzu lösen war zumal Strafverfahren in solchen Delikten häufig nicht ausreichend verfolgt wurden.

Mit der jetzigen Gesetzesänderung soll keine Kriminalisierung der Familie erfolgen oder die Strafbarkeit der Eltern er weitert werden. Ziel ist vielmehr, die familienrechtlichen Normen zum Schutz der Kinder verstärkt einzusetzen. Hierzu sollen vor allem die Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe ihren Beitrag leisten.

Die sie betreffende Er gänzungsregelung in § 16 Abs.1 des 8. Buches SGB wurde durch den Satz 3 wie folgt gefasst. »Sie (gemeint sind die Jugendämter) sollen auch Wege aufzeigen, wie Konfliktsituationen in der Familie gewaltfrei gelöst werden können.«

Helfen statt Strafen ist das gesellschaftliche Ziel dieser Regelung. Von daher kommt auf die Jugendämter ein Aufgabengebiet zu, für das gegenwärtig weder personell noch materiell die Voraussetzungen vorliegen.

Die Vielzahl der Aufgaben der Jugendämter beginnt bei den Leistungsansprüchen des Kindes auf eine - ohne Kenntnis der Sorgeberechtigten - durchzuführende Beratung in Gefahrensituationen sowie die Einleitung vorläufiger Maßnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen wie z.B. durch die Inobhutnahme gemäß §42 SGB VIII, wenn das Kind darum bittet.

Die Haupttätigkeit der Jugendämter wird sich jedoch auf die Beratung und Unterstützung zur gewaltfreien Erziehung innerhalb der Familie erstrecken. Solche Maßnahmen, wie sie in § 16 SGB VIII vorgesehen sind, sollen den Sorgeberechtigten Wege aufzeigen, wie Konfliktsituationen in der Familie ohne Gewalt gelöst wer den können.

Kann eine solche Erziehung nicht gewährleistet werden, hat der Sorgeberechtigte Anspruch auf geeignete und notwendige Hilfe wie z.B. die Erziehungsberatung oder -beistandsschaft, eine Vollzeitpflege, aber auch die Heimerziehung. Von daher ist es seitens der betroffenen Kinder und Jugendlichen, aber auch der Sor geberechtigten in jedem Fall angebracht, rechtzeitig die Hilfe und Unterstützung des Jugendamtes einzufordern, Konflikte nicht eskalieren zu lassen.

Gleichzeitig ist aber auch die Öffentlichkeit gefordert, nicht wegzusehen, wenn Gewalt in jeglicher Form gegen Kinder ausgeübt wird. Die aus den Medien bekannten Fälle zeigen, dass hierzu noch erhebliche Öffentlichkeitsarbeit geleistet wer den muss. Ein Leitbild der gewaltfreien Erziehung, wie es in anderen europäischen .Ländern in der Öffentlichkeit seit Jahren propagiert wird, ist bislang im Bewusstsein unserer Menschen nicht vor handen. Insofern bleibt zu wünschen, dass dieses kleine Gesetzeswerk im Interesse der Kinder schnell große Wirkung entfaltet und so zu mehr Kinder freundlichkeit in unserer Gesellschaft beiträgt.

GABRIELE SCHINDHELM, Rechtsanwältin