nd-aktuell.de / 23.02.2001 / Politik / Seite 7

Kriegsrat in Camp David

Blair fest an der Seite des großen Bruders Britannien Von Michael Steininger, London

Es ist wie in den alten Tagen, nur noch schlimmer«, hieß es gestern in einem Kommentar des linksliberalen »Guardian« zu Blairs Besuch in Washington, »in Vietnam waren wenigstens keine britischen Bomber dabei«. Noch immer ist die Debatte über die Beteiligung der Royal Air Force an den jüngsten Bombenattacken auf Bagdad nicht abgeflaut. Doch quer durch die hiesige Presse war ganz ungewohnt so etwas wie Mitleid mit dem Premier abzulesen. Denn über eines ist man sich sicher: Blairs Bewegungsfreiheit in Camp David ist höchst eingeschränkt.

Zunächst ist Blairs besondere Nähe zu Ex-Präsident Clinton allseits bekannt; während des USA-Wahlkampfes hatte der Premier keinen Hehl aus seiner Hoffnung auf einen Sieg von AI Gore gemacht. Zudem trifft er in der Bush-Administration auf eine Reihe kalter Krieger wie Vize- Präsident Dick Cheney und Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, für die Großbritannien an erster Stelle Amerikas engster NATO-Partner und erst an zweiter Stelle Teil Europas ist. Durch die Beteiligung an den Angriffen auf Irak und deren Rechtfertigung hat Blair diese Sichtweise bestätigt. Entsprechend schwer dürfte es ihm fallen, in der Debatte um das von den USA geplante Raketenabwehrsystem und eine Schnelle Eingreiftruppe der EU eigene Akzente zu setzen. Sofern er das über haupt will.

Regierungssprecher Alastair Campbell beantwortete Fragen in diese Richtung mit dem salomonischen Spruch, für den Premier gebe es keine Wahl zwischen Europa und den USA. Freilich, so räumte er ein, auf Blairs Prioritätenliste stünden die guten Beziehungen zu Washington »sehr weit oben«. Dass sich Präsident Bush um europäische Befindlichkeiten nicht den Kopf zerbricht, nimmt Blair offenbar hin. Der Nordirland-Konflikt, für Clinton eines der wichtigsten außenpolitischen Betätigungsfelder, wird in Camp David keine Erwähnung finden.

Vor allem aber geht es um den Irak Konflikt. Die britische Beteiligung an den Bombardements letzten Freitag ist in der hiesigen Politik und auch in der regierenden Labour-Partei alles andere als unumstritten. Labour Veteran Tony Benn bezeichnete die Angriffe als eine Verletzung internationalen Rechts und forderte eine Sondersitzung des Parlaments. Der schottische Labour-Abgeordnete George Galloway begab sich gar unmittelbar nach den Bombardierungen nach Bagdad, um die Folgen zu besichtigen und beschuldigte Washington und London »rück sichtslos, gesetzesbrecherisch und mör derisch« zu handeln. Der ehemalige Par teivorsitzende der Liberalen Demokraten, Paddy Ashdown, gab zu bedenken, dass die Luftangriffe Saddam Hussein eher stärken würden. Den wohl schwersten Stand in dieser Debatte hat der als links geltende Außenminister Robin Cook, dessen Äußerung, die Angriffe dienten dem Schutz der irakischen Zivilbevölkerung, in der Öffentlichkeit wenig Verständnis fanden. Die konservativen Tories unterstützten, kaum überraschend, den Lufteinsatz. Die Bombardements könnten freilich auch als eine Art Eingeständnis für die Wirkungslosigkeit der bestehenden UN- Sanktionen gegen Irak gelten. Im Gespräch zwischen Bush und Blair soll es deshalb um die Einführung so genannter »smart sanctions« gehen. Während die Sanktionen bisher hauptsächlich die Zivilbevölkerung trafen, konnten sie Saddams Position kaum schwächen. »Unsere Mixtur aus Sanktionen, militärischen Einsätzen, Ölhandel gegen Lebensmittel und Sicherung der irakischen Grenzen wird erneut unter die Lupe genommen«, kündigte Blair an. Das ist wohl nötig, nicht nur im Krieg gegen Saddam, sondern vor allem auch wegen der zunehmenden inter nationalen Isolation der Achse Washington-London in der Iran-Politik.