nd-aktuell.de / 23.02.2001 / Politik / Seite 11

DLV will »Kraftprobe« vermeiden - aber wie?

Jüngstes Beispiel: Lehner beantragte beim Vorsitzenden des DLV-Rechtsausschusses, Wolfgang Schoeppe, ein Startrecht für seinen Mandanten. Dem gab Schoeppe tatsächlich statt. In Ausnahmefällen hat zwar der Vorsitzende des Rechtsausschusses die Möglichkeit, allein Entscheidungen zu treffen, aber sie stellt Fakten auf den Kopf. Schoeppe begründete seine einsame Entscheidung damit, dass das von der IAAF gefällte Urteil gegen Baumann »rechtswidrig« und »nach deutschen Maßstäben nicht haltbar« sei. Gegen diese Start-Entscheidung hat das Die Unschuldslämmer Dieter Baumann und Alexander Leipold Fotos: Reuters

DLV-Präsidium postwendend Einspruch eingelegt, so dass nunmehr - vermutlich heute - der komplette DLV-Rechtsausschuss zusammentritt, um eine Entscheidung zu fällen. DLV-Vize Clemens Prokop äußerte ernsthafte Zweifel, »ob der Rechtsausschuss die Kompetenz hat, ein Urteil der IAAF zu überprüfen«.

Unterdessen zieht Anwalt Lehner weiter von einem Gericht zum anderen. Nun hat er vor dem Oberlandesgericht Frank fürt (Main) einen - wie es heisst - »vollstreckbaren Titel« erwirkt. Damit erhält das vorliegende Urteil des DLV-Rechtsausschusses, der Baumann das Startrecht zugebilligt hatte, Rechtskraft.

Die Situation kann ganz irrwitzig wer den, wenn heute der Einspruch definitiv abgewiesen wird und Baumann starten kann. »Dann wären wir in einem doppelten Konflikt«, so Prokop. »Zum einen ist der DLV als Mitglied der IAAF verpflichtet, das Urteil des Weltverbandes zu akzeptieren und durchzusetzen, zum anderen wäre der DLV angehalten, das Urteil seines eigenen Rechtsausschusses zu befolgen.«

Inzwischen hat IAAF-Generalsekretär Istvan Gyulai dem DLV Konsequenzen für den Fall eines Starts von Baumann angekündigt: Nach der IAAF-Regel 53 ii besteht die Möglichkeit, alle Teilnehmer einer Meisterschaft zu sperren, an der ein gesperrter Athlet teilgenommen hat. Prokop möchte es nicht auf eine »Kraftprobe« ankommen lassen. Doch das Ende der Affäre ist in jeder Beziehung offen ...

Das trifft auch auf den eindeutigen Doping-Fall des Freistilringers Alexander Leipold (Schifferstadt) zu. Auch er ist alles andere als ein Beweis des viel beschworenen konsequenten Anti-Doping-Kampfes. Kaum auszumalen, was passiert wäre, hätte es einen Ringer aus Halle oder Luckenwalde betroffen. Und was den DLV anbelangt, darf man gespannt sein, wie er sich im seit gestern bekannt gewordenen Nandrolon-Fall Falk Balzer (Jena) verhält.