nd-aktuell.de / 27.05.2006 /
Karoline von Günderrode
Martin Stolzenau
»Ich habe keinen Sinn für weibliche Tugenden, für Weiberglückseligkeit. Nur das Wilde, Große, Glänzende gefällt mir. Es ist ein unseliges, aber unverbesserliches Mißverständnis in meiner Seele; und es wird und muß so bleiben, denn ich bin ein Weib und ich habe Begierden wie ein Mann, ohne Männerkraft.« So schrieb Karoline von Günderrode 1801 an Gunda Brentano, die Schwester von Clemens Brentano, die dann die Frau von Friedrich Karl von Savigny wurde, den Karoline gern selbst gehabt hätte. Doch dem späteren Vorzeigejuristen war sie geistig wohl zu anspruchsvoll. Das und ihr ungehemmtes Ausdrucksbegehren, mit dem sie zu einer Identifikationsfigur der Frauenbewegung gedieh, brachte sie in einen Dauerkonflikt mit der sozialen Umwelt.
Zusammen mit Bettine Brentano erfüllte sie sich per Lektüre ihre Sehnsüchte. Die Freundinnen lasen Philosophie sowie Weltliteratur, erstellten ihr eigenes Reisejournal mit erfundenen Routen sowie Abenteuern und begannen heimlich zu dichten. Karolines erster Gedichtband wirkte wie ein Paukenschlag. Selbst Goethe war verblüfft. Clemens Brentano reagierte »fassungslos und nicht ohne Neid«.
Die Dichterin entstammte einem Adelsgeschlecht, das seit dem 15. Jahrhundert urkundlich bezeugt ist. 1780 in Karlsruhe geboren, wo ihr Vater als Hofrat sowie Kammerherr fungierte und nebenbei etwas schriftstellerte, übersiedelte sie nach dessen frühen Tod 1786 mit der Mutter und zwei Geschwistern nach Hanau. Ihren ersten Lyrikband veröffentlichte Karoline unter dem Pseudonym »Tian«. 1804 lernte sie bei einem Ausflug zum Stift Neuburg bei Heidelberg den Philologen und Mythenforscher Friedrich Creuzer kennen, der mit einer um 13 Jahre älteren Professorenwitwe verheiratet war. Es entspann sich eine Liebe mit Verwicklungen - bis Creuzer seiner Frau schwor, das Verhältnis zur Dichterin zu lösen. Sein »Lossagungsbrief« traf die Poetin schwer. Sie tötete sich am 26. Juni 1806 am Rheinufer mit drei Dolchstichen ins Herz. Ein theaterwirksamer Schluss. Ihre Umwelt war geschockt. Creuzer selbst hingegen verhinderte nun die Veröffentlichung ihres letzten Buches »Melete«, in dem er als »Eusebio« verewigt war.
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