nd-aktuell.de / 26.05.2001 / Politik / Seite 11

Der Menschenbesserer

Martin Mund

Es war wie eine zweite Premiere: Als das Filmmuseum vorige Woche zum 55. Jahrestag der DEFA-Gründung noch einmal Lothar Warnekes »Blonden Tango« zeigte, versammelten sich Freunde und Kollegen - und viele Mitwirkende: von Omar Saavedra Santis, dem Autor der literarischen Vorlage, über die Hauptdar steller Alejandro Quintana Contreras und Karin Düwel bis zu Kameramann Thomas Plenert, Szenenbildner Georg Wratsch, Regieassistentin Doris Borkmann, Chefdramaturg Rudi Jürschik und, und, und. Sie alle waren nicht zuletzt deswegen gekommen, um dem Regisseur Lothar Warneke viel Glück zur Genesung zu wünschen. Warneke, seit längerem schwer er krankt, hatte für diesen Abend Urlaub aus der Reha-Klinik erhalten; im Kreis seines alten »Teams« fühlte er sich sichtlich wohl.

Zur aufgelockerten Stimmung trug ein ganz besonderes cineastisches Kleinod bei: Der Regisseur präsentierte erstmals Videomaterial, das er, damals noch auf Super-8, Mitte der achtziger Jahre während der Arbeiten am »Blonden Tango« gedreht hatte: Beobachtungen in den Pausen, bei Proben oder abendlichen Feten des Drehstabs. Deutlich wurde der Spaß an der Arbeit, die Sinnenfreude, die Warneke zu erzeugen wusste und der er sich selbst gern hingab: eine Atmosphäre der freundlichen Gelöstheit, des toleranten Miteinanders, die sich immer auch in seinen Filmen widerspiegelte. »Einer trage des anderen Last« (1988), sein letzter Spielfilm, machte das schon im Titel transparent. In einer kleinen Rede betonte der Regisseur, dass in seinen Arbeiten immer der ursprüngliche Berufswunsch - nämlich Pfarrer zu werden - durchgeschimmert sei. Auch im Kino habe er die Menschen bessern und bekehren, moralische Achtungszeichen setzen wollen. Eine Haltung, die heute zwar höchst unmodern scheine, zu der er sich aber nach wie vor bekenne.

Lothar Warneke, auf dessen Filme man zu DDR-Zeiten stets gewartet hatte (»Dr. med. Sommer II«, »Leben mit Uwe«, »Die Beunruhigung«), konnte nach der Auslöschung der DEFA keinen einzigen Spielfilm mehr drehen. Mit dem Exitus des »alten« Studiobetriebs wurde er wie viele seiner Kollegen gleichsam aus der »Familie« ausgestoßen; die neuen Bedingungen aber - das Buhlen um Filmförderung, die Suche nach Produzenten, das einsame Klinkenputzen in Fernsehstudios - waren und sind ihm fremd. Keine Frage, dass er, obwohl er davon kein Aufhebens macht, darunter seelisch leidet. Zumal er über zwanzig Jahre lang zu denen gehörte, die gesellschaftliche Entwicklungen kritischsensibel begleitet hatten, auf zwischenmenschliche Konflikte aufmerksam machten und zur Humanisierung der Ver hältnisse beizutragen versuchten. Gerade nach 1990 hätte er vermutlich manches Wichtige in die Diskussion einzubringen gewusst. Dass das gesamtdeutsche Kino auf die »Alterswerke« des Lothar Warneke verzichtete, kommt einer Schande gleich.