Im Visier von Ingo und Paul

  • Robert Rescue
  • Lesedauer: 3 Min.

Wann immer ich in einer Bank den Vorraum mit dem Geldautomaten betrete, denke ich darüber nach, dass jeder dieser Räume von einer Überwachungskamera beobachtet wird, also auch ich unter Beobachtung stehe. Ich stelle mir dann einen großen Raum mit vielen Monitoren vor. In diesem sitzen zwei Wachleute, ich nenne sie mal Ingo und Paul, die mit Argusaugen die Monitore kontrollieren und sofort handeln, falls jemand gegen den Kontoauszugsdrucker tritt, sich zum Schlafen hinlegt oder ähnlich ungebührliche Dinge tut.

Vermutlich ist mein Gedanke paranoid. Es ist kaum anzunehmen, dass der Vorraum einer Bankfiliale im Wedding so viel Aufmerksamkeit auf sich zieht, dass zwei Wachleute die ganze Zeit die Geschehnisse dort überwachen. Andererseits: Man kann nie wissen ...

»Paul, ich habe hier eine Aktivität in der Filiale Müllerstraße.«

»Ach, den kennen wir doch. Das ist doch dieser Autor. Wie hieß er noch gleich?«

»Robert Rescue.«

»Ach ja, der. Haben wir denn schon Monatsanfang?«

»Ja.«

»Manchmal kommt der ja Mitte des Monats noch mal vorbei.«

»Ich nehme an, er hat so viel Geld auf dem Konto, dass er Mitte des Monats noch was abheben kann.«

»Wie ist denn der Kontostand?«

»Warte, ich schaue nach. Ui, ui, ui. Ich würde es mal blumig beschreiben mit ›Ein Auf und Ab in den Gefilden des Dispo‹.«

»Ich verstehe. Arme Sau.«

»So vehement, wie der auf der Tastatur seine Geheimzahl eingibt, macht er die noch kaputt. Meinst du, das ist ein Akt der Verzweiflung, Paul?«

»Ja, auf jeden Fall. 8484 lautet übrigens seine Geheimzahl. Wenn er mehr auf dem Konto hätte, könnten wir es leer räumen.«

»Ich denke, da müssen wir vorsichtig sein. Letzten Monat haben wir schon zu oft Transaktionen getätigt, die auffallen könnten.«

»Schau mal, jetzt überprüft er wieder, ob er die Bankkarte eingesteckt hat. Holt sie aus der Manteltasche, schaut, steckt sie wieder ein, holt sie wieder raus, steckt sie wieder ein. Der scheint ein ziemlicher Pedant zu sein. Schau mal, jetzt holt er das Portemonnaie heraus, in das er vorhin das Geld gesteckt hat und überprüft, ob er es getan hat. Es ist jedes Mal dasselbe mit ihm. Irgendwie langweilig. Wenn er wenigstens mal gegen den Geldautomaten treten oder sich zum Schlafen hinlegen würde. Dann könnten wir auf den Knopf ›Polizei‹ drücken und ihn hochgehen lassen.«

»Vielleicht kommt er Mitte des Monats noch mal vorbei.«

»Ja, vielleicht, vielleicht aber auch nicht. Oh schau mal, Oma Müller schlurft herein. Wenn ich mich recht entsinne, bekommt die ne Menge Rente im Monat. Ob wir da mal zugreifen sollten? 200 Euro vielleicht?«

»Ja, das klingt verlockend. Ihre Geheimzahl lautet …«

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