Werbung

Alt, aber gut

  • Jan Freitag
  • Lesedauer: 2 Min.

Es gibt TV-Stars, die sind derart untelegen, dass ihre Präsenz auf dem Bildschirm andere als typische TV-Gründe haben muss. Christian Ströbele etwa. Seit der Grüne mit dem roten Schal unterm weißen Haar zur Audienz beim Whistleblower Snowden geladen wurde, geistert er so unablässig durch die Nachrichten, als seien alle Kollegen kamerascheu. Es ist die pure Freude, diesem Parlamentfossil dabei zuzusehen, wie es die neue Aufmerksamkeit genießt, wie es vor den Mikrofonen feixt. Nur die heiß ersehnten Zuschauer unter 50, die kriegt man mit dieser Altersklasse natürlich nicht fürs alte Medium begeistert.

Noch weniger allerdings mit dem geriatrischen Zweiteiler »Das Mädchen mit dem indischen Smaragd«, das nach dem gestrigen Auftakt heute weitergeht. Auch wenn das Märchen etwas unheile Welt zwischen Armut und Überfluss zeigt, ist die teure Produktion am Billigdrehort nichts als ärgerliches Bonbonfernsehen für Anspruchslose. Was das ZDF an diesem Punkt mit Sat1 gemeinsam hat, wo morgen eine debile Western-Schnulze mit dem debileren Titel »In einem wilden Land läuft«. Auch hier scheitert der Versuch, Realismus mit Schauwert zu paaren. Und wenn Nadja Uhl, Benno Führmann oder Thomas Thieme ihr Cowboy-und-Indianer-Laienspiel aufführen, ist das zwar besser besetzt als der indische Gegenwartsquatsch mit Traumschiff-Girl Stephanie Stumph. Doch beides ist gleichermaßen schlicht inszeniert wie, sagen wir: nachgestellte Mordfälle bei Aktenzeichen XY.

Um Kapitaldelikte geht es auch beim »Preis gegen das Verbrechen«, der dort Mittwoch verliehen wird. Besser um verhinderte. Denn die Denunziationssause prämiert jedes Jahr couragierte Menschen, die Straftaten verhindert haben. Und weil diese Taten jedes Jahr irgendwo zwischen Pädophilie, Massenvergewaltigung und Genozid pendeln, erweckt sie den Eindruck, dieses Land brauche dringend mehr Law & Order. Sat1 glaubt dagegen, dass es mehr Kochshows braucht und startet parallel »The Taste«, eine Art »The Voice« für Köche. Aber nicht alles mit englischem Titel verspricht schlechtes Fernsehen. Die Comedyserie »The League« (ab Donnerstag, 22 Uhr, RTL Nitro), über eine Gruppe junger Leute, die zwischen Online-Spiel und Realität nicht recht unterscheiden können, gilt als Geheimtipp. Vielleicht hätte es der ARD also geholfen, den Mittwochsfilm »Arnes Heritage« statt »Nachlass« zu nennen. So aber ist die nächste Lenz-Verfilmung mit Jan Fedder bloß noch ein Abklatsch all der vorigen.

Spannend Lars Beckers Krimidrama »Unter Feinden« am Freitag auf Arte mit Fritz Karl als krimineller Bulle, allemal spannender als das Freundschaftsspiel in Italien zeitgleich im ZDF. Härtere Kost empfiehlt der Tipp der Woche, morgen, wieder Arte: Claude Lanzmanns »Shoah«, 585 min Holocaust-Aufarbeitung ohne Leichenberge am Stück. Alt, aber gut.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal