Lobbyistenparadies

Experten fordern Register für Interessenvertreter

  • Guido Speckmann
  • Lesedauer: 3 Min.
Gerade in Deutschland fehlt eine Regulierung des Lobbyismus. Wie die aussehen kann, war das Thema einer Fachtagung.

Eckart von Klaeden (CDU) hat ein Problem: Gegen ihn ermittelt die Berliner Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Vorteilsnahme. Der Fall des Ex-Staatsministers und neuen Daimler-Beauftragten für Politik und Außenbeziehungen ist das jüngste und prominenteste Beispiel eines Phänomens, das in den letzten Jahren zunehmend als Gefahr für die Demokratie angesehen wird: Lobbyismus.

Am Montag diskutierten auf Einladung der Friedrich-Ebert-Stiftung Experten darüber, wie die intransparente Interessenvertretung reguliert und öffentlich gemacht werden könnte. Diesem Ziel lag die Analyse zugrunde, dass organisierte Interessenvertretung zwar legitim, doch eine intransparente Mitwirkung von Lobbyisten mit für die Politikverdrossenheit verantwortlich sei. Warum diese Form des Lobbyismus einen schlechten Ruf hat, konnte man auf der Fachtagung »Lobbyismus in der Kritik« gut nachvollziehen. Neben kritischen Organisationen wie Transperency International und LobbyControl war auch eine klassische Lobbyistin vertreten. Geladen war Kathrin Zabel natürlich nicht als Vertreterin der Deutschen Post, sondern als stellvertretende Vorsitzende des Arbeitskreises Public Affairs der Deutschen Public Relations Gesellschaft. Ihr Anliegen: die Entmystifizierung des Lobbyismus beziehungsweise das Eintreten für eine saubere Interessenvertretung. Zabel verwahrte sich dagegen, dass ein Zusammenhang zwischen Macht sowie Geld und Erfolg beim Lobbyismus bestehe. Erfolgreich sei, wer die besseren Argumente habe und das Handwerk beherrsche. Auf ein verpflichtendes Lobbyregister zum Beispiel wollte sie sich aber nicht einlassen.

Das verpflichtende Lobbyregister war einer der Regulierungsvorschläge, die zur Diskussion standen. Unter diesem wird eine öffentlich einsehbare Datenbank verstanden, in der Lobbyisten über ihre Aktivitäten Auskunft geben müssen. Österreich zum Beispiel kennt so ein Register, in der Europäischen Union gibt es zumindest ein freiwilliges, Deutschland hingegen erscheint als Lobbyistenparadies. Das gilt auch für die Karenzzeit - ein weiteres Mittel, um intransparenter Einflussnahme Herr zu werden. Gemeint ist hiermit die Sperrzeit von Politikern und Regierungsbeamten für einen Wechsel in eine Lobbytätigkeit in einem Wirtschaftsunternehmen. Für von Klaeden galt quasi eine negative Sperrzeit. Der Europaparlamentarier Matthias Groote führte aus, dass in der EU eine Karenz von 18 Monaten gilt. Christina Deckwirth von LobbyControl hält dies für nicht ausreichend und forderte drei Jahre. Den Fokus auf die erste Phase im Gesetzgebungsprozess legt ein weiterer Vorschlag: Der sogenannte legislative Fußabdruck soll im Einzelnen dokumentieren, wer auf welche Weise bei der Entstehung eines Gesetzentwurfs beteiligt ist.

Auf die eigentliche Ursache des Lobbyismusproblems hinzuweisen, blieb den finanzschwachen Organisationen vorbehalten. Deckwirth führte die soziale Ungleichheit an - und als Ansatzpunkt eine Umverteilung. Christian Humborg von Transperency International veranschaulichte das am Beispiel des Monopolisten amazon, der ungleich mehr Einflussmöglichkeiten habe als kleine Buchhändler. Das waren die besten Argumente. Sie wurden nicht aufgenommen. Ebenso ist es im politischen Feld. Woran das wohl liegt?

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal