Acht Millionen Euro für Eisenhüttenstadt

Rot-Rot will landesweit die Förderung für die Unterbringung von Flüchtlingen aufstocken

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 4 Min.
Die rot-rote Landesregierung will mit einem Paket von 12,7 Millionen Euro die Bedingungen für Flüchtlinge verbessern und die Kreise dabei einmalig unterstützen.

Die Kritik des Flüchtlingsrates an den Zuständen in der Unterbringung sei angekommen, sagte gestern LINKEN-Fraktionschef Christian Görke. SPD und Linkspartei stellten am Dienstag ihre Pläne zur Verbesserung der Versorgung von Flüchtlingen in Brandenburg vor. SPD-Fraktionschef Klaus Ness hatte zuvor dargelegt, dass das Land mit fünf Millionen Euro solche Kommunen unterstützt, die für eine menschenwürdige Unterbringung der Asylbewerber sorgen. Das Geld werde »nicht mit der Gießkanne« verteilt und vorrangig soll die Unterbringung der Menschen nicht in Heimen, sondern in normalen Wohnungen erfolgen, sagte Ness.

Mit großer Sorge betrachte er die Entwicklung im sächsischen Schneeberg aber auch anderen Orten Ostdeutschlands, wo Rechtsextreme erfolgreich Ängste und Vorbehalte gegen Flüchtlinge schüren. In Brandenburg habe es das nicht gegeben, hier funktioniere der Bürger-Widerstand gegen dergleichen Tendenzen. Doch müsse auch hier der Erhalt des gesellschaftlichen Friedens gesichert werden, deshalb das Landesprogramm.

Christian Görke nannte das Programm eine Antwort auf eine Entwicklung, welche so vor einem Jahr nicht absehbar gewesen sei. Binnen kurzer Zeit hatte sich die Zahl der Asylbewerber auf 3600 nahezu verdoppelt. Die Erstaufnahmestelle Eisenhüttenstadt habe eine dauerhafte Überbelegung von zeitweilig rund 750 Menschen erlebt. Die Asylbewerber mussten in Turnhallen und auf den Gängen schlafen. Daher werde mit weiteren 7,7 Millionen Euro die Wohnsituation dort kurzfristig und nachhaltig verbessert. Görke sprach vom Aufstellen von Wohncontainern und der verstärkten psychologischen Betreuung der zum Teil traumatisierten Menschen. Auch solle der einem Flüchtling zustehende Wohnraum von sechs auf acht Quadratmeter vergrößert werden. Der Selbstmord eines Asylbewerbers im Mai dieses Jahres war Anlass, die Umstände in Eisenhüttenstadt zu verändern. Diese Pläne sollen durch die Verschiebung einer Beamten-Besoldungsreform finanziert werden.

Die Zahl der Flüchtlinge, die in Deutschland Asyl suchten, steige in diesem Jahr wieder auf mehr als 100 000, erklärte Ness. Etwa 3600 von ihnen müssten in Brandenburg untergebracht werden. Die meisten kämen aus Tschetschenien, Nordafrika oder Syrien.

Beide Politiker räumten ein, dass es im Zusammenhang mit der Zunahme der Flüchtlingszahlen Probleme mit einzelnen Kreisen gegeben hatte und die Aufnahme in der Vergangenheit nicht immer reibungslos verlief. Regelrechte »Blockaden« seien zu überwinden gewesen. Görke erinnerte daran, dass es sich dabei um eine »Pflichtaufgabe« der kommunalen Ebene handelt. Inzwischen aber seien »die Irritationen ausgeräumt«, so Ness.

Von Mitte der 1990er Jahre bis 2009 ist die Zahl der Asylbewerber von 32 000 auf 1500 gesunken. Doch habe die als »arabischer Frühling« begrüßte politische Entwicklung in Nordafrika zu bürgerkriegsähnlichen Lagen geführt, begründete der SPD-Politker Ness den erneuten Anstieg in den vergangenen Monaten.

Zu den Unterbringungsverhältnissen in den ersten Nachwendejahren wolle man nicht mehr zurück, sie seien »katastrophal« gewesen. Nicht selten hätten sich damals vier bis fünf Menschen ein Zimmer teilen müssen. Auch das Bildungsministerium ist aktuell gefordert. Laut Bildungsministerin Martina Münch (SPD) haben in der Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber in Eisenhüttenstadt inzwischen 50 Schüler »den Unterricht direkt vor Ort begonnen«. Auf deren Stundenplan stünden wöchentlich bis zu 19 Stunden Unterricht in deutscher Sprache. Sie bestätigte vor einigen Wochen, dass Asylkinder »größere Probleme in den Schulen hatten, als bisher bekannt war«. Überrascht habe - »und das war in den anderen Bundesländern ähnlich« -, dass eine so große Anzahl von Asylsuchenden mit Familien in Brandenburg aufgenommen worden sei. In den Jahren davor habe es überwiegend »männliche Alleinreisende« gegeben, die andere Sorgen gehabt hätten.

Im Frühjahr hatte der Brandenburgische Flüchtlingsrat in einem offenen Brief an die Landesregierung den Vorwurf erhoben, dass die zugesagte Verbesserung von Asylbedingungen hintertrieben werden. Vor zwei Jahren habe der Landtag der Regierung den Auftrag erteilt, »ein lange überfälliges Unterbringungskonzept für Flüchtlinge zu erarbeiten«, heißt es in dem Schreiben. Nicht allein, dass nichts diesbezüglich geschehen sei: »Die Lage hat sich dramatisch verschlechtert«. Die Unterzeichner verwiesen auf steigende Flüchtlingszahlen in den 21 völlig überfüllten Heimen des Landes.

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