Union bremst die Bankenunion

Koalitionsvertreter diskutieren EU-Vorhaben über eine Abwicklungsbehörde für kriselnde Geldhäuser - Schäuble hat eigene Pläne

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.
In den Koalitionsarbeitsgruppen geht es auch um Europa - aktuell vor allem um die nächsten Schritte bei der EU-Bankenunion. Der Bundesfinanzminister benötigt dringend ein Verhandlungsmandat.

Der Konflikt zwischen Noch-Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und der EU-Kommission über die Bankenunion hat die Koalitionsverhandlungen in Berlin erreicht. Erst im September hatte nach monatelangem Tauziehen das Europaparlament den Weg für eine gemeinsame Bankenaufsicht bei der Europäischen Zentralbank (EZB) freigegeben. Damit steht aber lediglich die erste Säule der Bankenunion. Noch in Planung sind Regeln für die Bankenabwicklung und die Einlagensicherung.

Bereits im Juli hatte die EU-Kommission vorgeschlagen, eine bei ihr angesiedelte Bankenabwicklungsbehörde und einen von den privaten Geldhäusern zu finanzierenden Bankenabwicklungsfonds zu schaffen. Zahlreiche Mitgliedstaaten und auch die EZB unterstützen das Vorhaben. Noch vor der Bundestagwahl gab Politveteran Schäuble die Marschroute für eine unionsgeführte Bundesregierung vor: Die Kommissionspläne seien nur mit einer Änderung der Europäischen Verträge möglich. Faktisch wäre dies das Aus für die zweite und wohl auch dritte Säule der Bankenunion. Denn eine Änderung der »Verfassung« gilt in der Praxis als kaum möglich, da alle 28 EU-Mitgliedstaaten zustimmen müssten.

Dagegen hält die EU-Kommission alle Teile der Bankenunion im Rahmen der geltenden EU-Verträge für machbar, wenn Regierungen und Europaparlament mehrheitlich zustimmen. Davon ist auch der Jurist René Repasi von der Uni Heidelberg in einem Gutachten für die Grünen überzeugt. Eine funktionierende Bankenaufsicht verlange Entscheidungen über die Abwicklung von Banken »auf derselben Entscheidungsebene«.

Union und FDP hatten das komplizierte und daher aus Sicht der Parteistrategen ungeeignete Thema aus dem Wahlkampf herausgehalten. Nun scheint zumindest Schäuble entschlossen, auch dieses Mal in Brüssel einen deutschlastigen Kompromiss zu erzwingen. Dieser sieht offenbar die Schaffung eines Netzwerks nationaler Aufsichtsbehörden vor. Wenn also eine deutsche Bank in Schieflage geriete, würden deutsche Finanzmarktwächter über deren Abwicklung entscheiden. Das freilich würde kaum geschehen, denn diese verstehen sich oft als Interessenvertreter des heimischen Bankenplatzes.

Dabei hatten sich Bremser Schäuble und auch Kanzlerin Angela Merkel in der vergangenen Legislaturperiode als Reformer hervorgetan: Finanztransaktionssteuer, Trenn-bankensystem und Bankenunion - die Union war dafür, wenn es galt, populäre Lippenbekenntnisse gegen »die Banken« lautstark vorzutragen. Getan hat sich seither freilich wenig, kritisieren Oppositionspolitiker, Ökonomen und Finanzmarktkritiker wie Attac oder Bank Watch.

Dabei wollen wohl weder Schäuble noch Merkel die Banken ganz ungeschoren davonkommen lassen. Dafür spricht die Rolle Deutschlands bei der Basel-III-Eigenkapitalrichtlinie, die Banken weltweit zwingt, bis 2016 mehr Eigenkapital als Sicherheitspolster zu bilden. 29 systemrelevante Banken, darunter die Deutsche Bank, müssen noch schärfere Kapitalanforderungen erfüllen. Für die deutsche Kreditwirtschaft ist Basel III akzeptabel, wenn es die Wettbewerbsposition gegenüber der Konkurrenz zumindest nicht verschlechtert.

Solche Sorge treibt Schäuble um, wenn er sich nun sperrig gibt: Müssten Banken den Abwicklungsfonds finanzieren, würden aufgrund ihres Übergewichts deutsche Institute am stärksten zur Kasse gebeten.

Zudem geht es um eine Lösung, welche »die Haushaltshoheit der Mitgliedstaaten wahrt«, teilte das Finanzministerium schon Mitte Oktober mit. Deshalb dürfe es »keine Vergemeinschaftung« von Bankrisiken und Altlasten geben. Hier geht es auch um die Möglichkeit direkter Darlehen von Banken aus dem Euro-Rettungsschirm ESM, die Schäuble und Merkel bereits zugesagt haben. Solche Darlehen werden freilich dann gebraucht, wenn ein gemeinsamer Bankenabwicklungsfonds nicht geschaffen wird.

Auf EU-Ebene scheint sich Schäuble stark genug zu fühlen für einen weiteren nationalen Alleingang. Dafür bräuchte er aber ein Verhandlungsmandat der künftigen Regierungspartner in Berlin. Bei den Koalitionsverhandlungen befürwortet allerdings die SPD eher die Pläne der EU-Kommission, während die CSU direkte ESM-Hilfen für Banken kategorisch ablehnt. Bei der heutigen Runde der Spitzenvertreter von CDU, CSU und SPD soll es eine Einigung geben. Quasi in letzter Minute: Ab Donnerstag verhandeln die EU-Finanzminister über die nächsten Schritte der Bankenunion.

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