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Bloß nicht mehr Demokratie wagen!

CDU gegen bundesweite Volksentscheide

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Koalitionsverhandlungen in Berlin kommen nicht voran. Egal ob Familienpolitik, Europa oder Volksabstimmungen auf Bundesebene – die ideologischen Gräben zwischen Union und SPD scheinen unverändert tief zu sein. CSU und SPD halten in einem gemeinsamen Papier fest, dass sie Referenden auf Bundesebene gutheißen. Die CDU reagiert verschnupft.

Die Koalitionsverhandlungen in Berlin werden immer chaotischer. Für neue Aufregung sorgte am Dienstag eine Meldung der »Süddeutschen Zeitung«, wonach sich SPD und CSU zusammengetan haben sollen, um Volksentscheide auf Bundesebene voranzubringen. SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann und Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU), die gemeinsam die Koalitionsarbeitsgruppe für Inneres und Justiz leiten, hatten sich offenbar auf ein gemeinsames Papier verständigt, in dem deutschlandweite Plebiszite befürwortet werden. Man wolle, heißt es da, »den Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit geben, auch zwischen den Wahlen auf Entscheidungen Einfluss zu nehmen«. Demnach soll das Volk »bei europapolitischen Entscheidungen von besonderer Tragweite« direkt befragt werden. Dieser Fall träte ein bei der »Aufnahme neuer Mitgliedstaaten, wenn wichtige Kompetenzen nach Brüssel abwandern sollen oder wenn es um finanzielle Leistungen Deutschlands auf EU-Ebene geht«. Diese Passage trägt die Handschrift der CSU, die sich im Wahlkampf immer wieder für Volksentscheide in Europafragen eingesetzt hatte.

Die SPD hingegen will Referenden über bereits beschlossene Gesetze. Folglich heißt es in dem von der »Süddeutschen« veröffentlichten Papier: »Ein behutsamer Einstieg in direktdemokratische Teilhabe soll ein Referendum über beschlossene Gesetze sein.«

In der Tat wäre das, was CSU und SPD da vorschlagen, revolutionär. Bislang sind auf Bundesebene eigentlich keine Referenden vorgesehen. Das Grundgesetz kennt deutschlandweite Volksentscheide nur für den Fall, dass über die Neugliederung von Bundesländern abgestimmt werden soll. Wer mehr plebiszitäre Elemente will, muss die Verfassung ändern. Dazu wäre eine Zwei-Drittel-Mehrheit notwendig.

Eine schwarz-rote Koalition würde über genügend Stimmen verfügen. Zumal auch LINKE und Grüne erklärte Befürworter von Plebisziten sind. Alles hängt also an der CDU. Die Christdemokraten machten am Dienstag schnell deutlich, was sie von Referenden halten. »Wir sind gegen solche bundesweiten Volksabstimmungen. Wir werden dem Vorschlag nicht zustimmen«, sagte Unions-Fraktionsvize Günter Krings (CDU) der Nachrichtenagentur dpa.

Auch Kanzlerin Angela Merkel zeigte sich nicht begeistert vom Vorstoß ihres Koalitionspartners. Die CDU-Chefin soll die Idee von Referenden über EU-Beitritte in einer unionsinternen Besprechung am Dienstag abgelehnt haben, wie die Nachrichtenagentur Reuters erfahren haben will.

Hans-Peter Friedrich ruderte dann auch umgehend zurück. Er und Thomas Oppermann hätten nur die jeweiligen Auffassungen ihrer Parteien niedergeschrieben - »als internes Papier für die weitere Diskussion«. Dies sei nicht für die Öffentlichkeit bestimmt gewesen. »Wir wissen, dass die CDU mit beiden Vorschlägen nicht einverstanden ist«, betonte er. Es gebe dazu »keinerlei Verständigung« mit der SPD und »keine Signale aus der CDU, dass man das mittragen würde«, sagte Friedrich der Nachrichtenagentur dpa.

Warum man aber allseits bekannte Position noch einmal niederschreibt, obwohl man weiß, dass die CDU Volksentscheide ablehnt, bleibt das Geheimnis von Oppermann und Friedrich.

Zustimmung erhielten die beiden von Regine Laroche, der Pressesprecherin des Vereins Mehr Demokratie, der sich seit Jahren für bundesweite Referenden einsetzt: »Gut, dass SPD und CSU das Thema noch einmal in die Öffentlichkeit bringen«, sagte Laroche dem »nd«. Für die Aktivisten von Mehr Demokratie könnte das Timing nicht besser sein. Denn am heutigen Mittwoch wollen sie vor der CDU-Parteizentrale in Berlin mehr als 162 000 Unterschriften mit der Forderung übergeben, »den bundesweiten Volksentscheid im Koalitionsvertrag zu verankern«.

Die Vorschläge von CSU und SPD gehen Laroche nicht weit genug. »Volksentscheide sollte es nicht nur zu Europafragen und bereits beschlossenen Gesetze geben. Es sollte auch die Möglichkeit geschaffen werden, dass Referenden auch von den Bürgern selbst auf den Weg gebracht werden können«. Laroche verwies gegenüber dieser Zeitung auf den Berliner Volksentscheid zur Rekommunalisierung der Energienetze, der vor wenigen Tagen knapp gescheitert war. »Hier kam die Initiative direkt von den Berlinern«, so Laroche. Denn anders als auf Bundesebene sind Volksentscheide in vielen Ländern bereits möglich.

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