Bäderchef erzeugt Empörungswelle

Gegen die Einführung eines neuen Tarifsystems in den Schwimmhallen regt sich Protest

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.
Am Freitagmorgen planen Senioren laut »taz« eine Demonstration gegen die neuen Schwimmbad-Eintrittspreise. Bäderchef Ole Bested Hensing will die Tarife zum 1. Januar 2014 ändern.

Frühschwimmer sind eine verschworene Gemeinschaft. In teils noch abgedunkelten Schwimmhallen ziehen sie im Winter stoisch ihre Bahnen. Im Sommer sind sie bei jedem Wetter in den Freibädern zu finden. Da kraulen Senioren neben Hochleistungssportlern, Polizisten neben Ex-Junkies, die wieder fit werden wollen. Das Schwimmen verbindet - man grüßt sich. Fast ein Jahrzehnt änderte sich für die treuen Besucher der Berliner Bäder-Betriebe (BBB) wenig. Ein Werbeschild des Unternehmens brachte es auf den Punkt: »Unsere Preise sind seit 2003 stabil«, hieß es darauf. Zum Vergleich waren auf der Tafel die exorbitanten Zuwächse in anderen Bereichen wie der Energiekosten aufgeführt.

Doch mit der Ruhe es jetzt vorbei. Nachdem bereits im Mai dieses Jahres die Eintrittspreise saftig anzogen, soll das Preissystem jetzt erneut zum 1. Januar 2014 verändert werden. Der neue Bäderchef Ole Bested Hensing, der zuvor das Spaßbad Tropical Islands in Brandenburg leitete, will damit erreichen, dass in den schlechter besuchten Mittagszeiten mehr Menschen schwimmen gehen. Bereits zu seinem Amtsantritt im Mai dieses Jahres hatte er angekündigt: »Wir wollen durch zusätzliche Angebote mehr Umsatz erwirtschaften.« Die angepeilte Umsatzsteigerung soll ab Januar 2014 offenbar auch durch ein neues Preissystem erwirtschaftet werden: Während der Tarif zwischen 10 und 15 Uhr bei 3,50 Euro liegt, soll die Einzelkarte vor und nach der Mittagsperiode auf 5,50 Euro steigen.

Berliner Bäder-Betriebe

Zu den Berliner Bäder-Betrieben gehören stadtweit 63 Bäder-Liegenschaften: 37 Hallenbäder, 14 Sommer- und zwölf Strandbäder.

Im Jahr 2012 zählten die BäderBetriebe 6,11 Millionen Gäste - das entspricht einem Durchschnitt von 1,7 Besuchen pro Einwohner und Jahr. 2011 lag dieser Wert bei 1,6. Dies ist im Vergleich zu anderen Städten ein niedriger Wert.

Die Bäder werden zurzeit im Jahr mit 45 Millionen Euro aus dem Landeshaushalt bezuschusst, zudem gibt es weitere fünf Millionen Euro pro Jahr, die an Instandsetzungen gebunden sind. Trotz dieser Mittel und des aufwendigen Bädersanierungsprogramms gibt es einen Sanierungs- und Investitionsstau.

Bäderchef Ole Bested Hensing erarbeitet laut Senat derzeit ein Gesamtkonzept für die Berliner Bäderlandschaft. Im Sommer sorgte der Vorstand bereits für stadtweiten Unmut, als Pläne bekannt wurden, Standorte zugunsten von fünf neuen Kombi-Bädern zu schließen. Die Pläne wurden inzwischen annulliert. nd/mkr

Es ist ein Angriff auf die Früh- und Spätschwimmer, den sich nicht alle gefallen lassen wollen. Ihnen nutzt auch der zeitgleich angedachte Kurzzeittarif von 3,50 Euro für 45 Minuten wenig, wie der Rentner Siegfried B. gegenüber der »taz« betonte. Die Schwimmgruppe B›s, so schreibt die Zeitung, will deshalb am kommenden Freitag vor der Schwimmhalle am Ernst-Thälmann-Park um 6 Uhr gegen die Abschaffung des bisherigen Frühschwimmertarifs von 2,80 Euro protestieren. Die renitenten Senioren haben zudem einen Brief an den Bäderchef Hensing geschrieben.

Der hatte erst Anfang vergangener Woche auf einer Pressekonferenz das neue Tarifmodell verteidigt, das der Aufsichtsrat am 1. November verabschiedet hatte und dem - formal - noch die zuständige Senatsverwaltung von Sportsenator Frank Henkel (CDU) zustimmen muss. »Nach vielen Jahren des Einheitstarifs möchten die Bäderbetriebe nun wieder stärker auf die Kundenbedürfnisse eingehen«, heißt es blumig in einer Presseerklärung des landeseigenen Unternehmens zu den teils höheren Tarifen. Und: »Durch die geplanten Gebührensenkungen in publikumsarmen Zeiten soll das Schwimmen in den Berliner Bädern auch für Rentner und Arbeitslose wieder bezahlbar werden.«

Die Linksfraktion im Abgeordnetenhaus bezweifelt indes, ob durch das neue Tarifsystem mehr Besucher in die Schwimmhallen kommen werden. »Die neue Tarifstruktur ist unsozial und vernachlässigt das geringe Einkommensniveau vieler potenzieller Nutzerinnen und Nutzer«, sagt die sportpolitische Sprecherin der LINKEN, Gabriele Hiller. Sie fordert, dass die BBB daran arbeiten sollten, Schwimmen und Baden auch im unteren Preisniveau zu halten. »Mehr Lebensnähe wäre Aufsichtsrat und Bäderchefs dienlich.«

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