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Deutscher Boulevard

Blogwoche

  • Jürgen Amendt
  • Lesedauer: 3 Min.

Seit einigen Wochen ist die deutschsprachige »Huffington Post« online. Die Internet-Zeitung sah sich von Anfang an heftiger Kritik ausgesetzt. Vor allem das Geschäftsmodell, die Beiträge von Bloggern für lau zu übernehmen, stieß auf öffentlichen Protest. Bezweifelt wurde auch die Relevanz der Themenauswahl - zu boulevardesk, zu wenig Recherche, lautete der Vorwurf.

Der Journalist Christian Jakubetz fällt in seinem Weblog das vernichtendste Urteil, das man überhaupt über ein Medienorgan fällen kann: »Tatsächlich liefert die HuffPo nur noch sehr, sehr wenig Anlass, sich über sie ernsthaft zu unterhalten. Die Substanzlosigkeit, das Fehlen jeglichen Esprits und einer Haltung, die etwas anderes ist als ein bemühtes ›Wir sind neu und anders‹, das alles, was man zu Beginn bemängeln konnte, hat sich nicht wirklich geändert. Weswegen sich ein alter Verdacht neu aufdrängt: Irgendwie wollten sie bei Burda mit wenig finanziellem Aufwand eine Menge Geld verdienen, dafür spricht u. a. der hehre Anspruch, in den kommenden Jahren zu den Top 5 der deutschen Webseiten zu gehören. Das schafft man normalerweise nicht mit einer 15-Mann-Redaktion und auch nicht mit einem ziemlich dahingeschlamperten Nicht-Konzept.

Das Händereiben in den «klassischen» Zeitungsredaktion kommt allerdings zu früh. Stellenabbau, Boulevardisierung und der Drang zur Skandalisierung bei zunehmenden Unlust, Quellen zu recherchieren, führen auch hier zu Ergebnissen, die man bestenfalls als «peinlich» bezeichnen kann. So berichteten Zeitungen wie die «Bild», «Focus» und die «Welt» mit Überschriften wie «Indischer Polizeichef rät Vergewaltigungen zu genießen» (Focus-Online) über einen angeblichen Skandal um den Chef der indischen Bundespolizeibehörde CBI. Beim medienkritischen Blog bildblog.de wurde man stutzig und überprüfte die Quelle. Ergebnis: Ranjit Sinha, Chef der CBI, hatte auf einer Pressekonferenz seine Haltung gegenüber Sportwetten zum Ausdruck bringen wollen und sich dabei zugegebenermaßen in der Wortwahl vergriffen. bildblog zitiert die Originalaussage Sinhas wie folgt: «Wenn man das Verbot von Sportwetten nicht durchsetzen kann, ist es, als würde man sagen: ›Wenn man eine Vergewaltigung nicht verhindern kann, sollte man sie genießen‹».

Zugegebenermaßen zeugt die Bemerkung des obersten indischen Polizisten nicht gerade von intellektueller Schärfe. Einige Zeitungen haben online mittlerweile die Überschrift geändert, darunter auch Focus-Online. Dort steht jetzt: «Indischer Polizei-Chef vergleicht Vergewaltigung mit Sportwette». Das trifft die Aussage Ranjit Sinhas zwar immer noch nicht richtig, ist aber schon besser als die erste Version. Im Text aber wird die ursprüngliche Version weiterhin behauptet. Das ist auch einigen Lesern aufgefallen. Vorerst blieb deren Protest allerdings ohne Konsequenz. Ob aus Schlampigkeit sei dahingestellt. Vielleicht ließ sich die Redaktion auch von den vielen zustimmenden Leserkommentaren überzeugen, die die Geschichte aus dem «unzivilisierten» Indien einfach glauben wollen.

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