nd-aktuell.de / 16.11.2013 / Kommentare / Seite 2

Der Stolz auf exportfähige Maschinen

Ulrike Winkelmann über Rüstungspolitiker, das deutsche Drohnenwesen und den Eiertanz der Großen Koalition in spe

Ulrike Winkelmann

Immer ein bisschen kränkend ist es, wenn man offensichtlich für blöd verkauft wird. Was zum Beispiel ist von dieser Ankündigung der großkoalitionären Verhandler zu halten: »Vor einer Entscheidung über die Beschaffung qualitativ neuer Waffensysteme werden wir alle damit im Zusammenhang stehenden völker- und verfassungsrechtlichen, sicherheitspolitischen und ethischen Fragen sorgfältig prüfen«? Soll das heißen: Auch wir sind bereit, über das Wesen der bewaffneten Drohne nachzudenken? Vielen Dank.

Es wäre erstens nun wirklich bestürzend, wenn bislang gekaufte Waffensysteme solch eine sorgfältige Prüfung nach den Standards von Union und SPD nicht erfahren hätten. Was zweitens betroffen macht, ist, dass die Verhandler inklusive Minister Thomas de Maizière (CDU) solch eine Prüfung erst in Aussicht stellen. Immerhin wirbt derselbe Minister für dieselbe Drohne bereits seit über einem Jahr.

Gleichzeitig ist den SPD-Verteidigern recht bewusst, dass ihr Kanzlerkandidat Peer Steinbrück im Juni zwar verkündete: »Ich komme zu der Feststellung, dass die Bundesrepublik Deutschland keiner Drohnen bedarf.« Hierbei hatte sein Redenschreiber aber vergessen, dass die Bundeswehr längst über Drohnen verfügt, wenn auch keine schießenden. Die SPD-Verteidigungspolitiker wie etwa der lang gediente Rainer Arnold dagegen winden sich seit Monaten um ihr Ja zur Kampfdrohne herum und sagen Dinge wie »Jetzt noch nicht«.

Damit nicht so auffällt, wie vergurkt die öffentliche Debatte über die Drohne ist, ergänzen die Verteidigungsverhandler ihre Null-Aussage zum Drohnenwesen mit einer Null-Aussage zum Drohneneinsatz: »Extralegale Tötungen mit bewaffneten Drohnen« lehne man komplett ab. Klingt zünftig und irgendwie gegen Drohne. Ist es aber nicht, sondern ein wohlfeiles Bekenntnis zum Völkerrecht.

Es ist nun in den vergangenen Jahren kein Beitrag über Verteidigungspolitik geschrieben oder gesendet worden, in dem nicht eine offene Debatte über Verteidigungspolitik gefordert wurde. Bisweilen reagierten Leitartikelschreiber und Talkshowteilnehmer beinahe täglich aufeinander mit der Forderung, nun aber endlich diese Debatte zu eröffnen. Dabei fiel es zunächst nicht auf, dass die Möglichkeit einer Debatte schon dadurch eingeschränkt wird, dass es so furchtbar wenige Argumente gibt, jedenfalls aber keine neuen.

Bei der Drohne zum Beispiel geht es überhaupt zuallererst um Industriepolitik. Die Israelis und US-Amerikaner haben den Markt der Großdrohnen bislang für sich, das finden europäische Wirtschaftsführer alarmierend. Denn der Drohne, so rufen es die Spatzen von den Dächern der Messestände, gehört der Luftraum der Zukunft. Kleine Drohnen werden in Deutschland ja auch schon gebaut. Nur für größere Flügelspannweiten findet sich kein Investor - es sei denn, nun ja: man subventioniert die Entwicklung über den Rüstungsetat.

Wie wär's also im Koalitionsvertrag mit: »Wir fürchten, wenn Deutschland keine Großdrohnen baut, verliert das Land seinen Status als weltbester Maschinen-Exporteur. Darum möchten wir eine unbegrenzte Summe Steuergeld an EADS/Cassidian weiterreichen, damit die dort eine Drohne entwickeln, unter deren Flügel dann auch Bomben hängen können. Gruß an die Linkspartei: Die IG Metall ist auch dafür. Eure Große Koalition.« Schon gut. Zu viel verlangt.

Immerhin aber hat mittlerweile die Industrie selbst beschlossen, sich mit Forderungen nach offener Debatte bemerkbar zu machen. Es begann vor drei Jahren mit der Gründung eines Lobbyverbands: Der BDSV, Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie, spricht auch mit Journalisten. Der Geschäftsführer Georg Adamowitsch, früherer Staatssekretär bei SPD-Minister Wolfgang Clement, gibt sogar Interviews: »Wir haben nichts zu verbergen.« Für ungläubiges Ächzen in den Redaktionen aber sorgten zuletzt Einladungen zu Auftritten von Unternehmenschefs höchstpersönlich.

Vielleicht gelingt es der Rüstungsindustrie besser als Union und SPD, den liebsten Schlüsselreiz der Deutschen zu bedienen: den Stolz auf die exportfähige Maschine. Er müsste nur vom rollenden aufs fliegende Geschäft ausgedehnt werden - und über die Grenzen hinaus, denn EADS/Cassidian ist ein europäischer Konzern. Wenn dann mal die Drohne nicht an der deutschen Verachtung für Europa scheitert.