nd-aktuell.de / 19.11.2013 / Politik / Seite 8

»Wir werden eine starke Opposition bilden«

Tschechiens Kommunisten: Druck von links soll dazu beitragen, dass Reformen in Angriff genommen werden

Vor den Wahlen im Oktober erwarteten viele in Tschechien einen Linksruck. Eine Koalition aus Sozialdemokraten und Kommunisten wurde - je nach politischem Standpunkt - erträumt oder gefürchtet. Doch dazu reicht es nicht. Die Kommunistische Partei Böhmens und Mährens (KSČM) ging zwar gestärkt aus der Wahl hervor, doch die Sozialdemokraten (ČSSD) - obwohl stärkste Fraktion - verloren. Mit Jiři Dolejš, dem Stellvertretenden Sekretär des KSCM-Zentralvorstands, sprach in Prag Jindra Kolar.

nd: Im Moment sieht es nach einer Koalition der Sozialdemokraten mit der Aktion unzufriedener Bürger (ANO 2011) und der christdemokratischen KDU-CSL aus. Werden die Kommunisten dieses Regierungsbündnis unterstützen?
Dolejš: Ich glaube nicht, dass eine Koalition dieser drei Parteien unsere Unterstützung braucht. Sie verfügen über die notwendige Mehrheit im Abgeordnetenhaus, um eine stabile Regierung zu bilden. Wir werden eine starke, aber durchaus konstruktive Opposition bilden. Ich denke, dass die Bedingungen für einen konstruktiven Dialog im neuen Parlament besser sind als noch vor Kurzem. Und je nachdem, welche Gesetze die regierenden Parteien vorschlagen, werden wir sie prüfen und unterstützen, wenn sie den Interessen der Menschen entsprechen, so wie wir sie verstehen. Darüber hinaus werden wir natürlich auch selbst Gesetzesvorschläge einbringen, die eine wirtschaftliche Erholung unseres Landes bei sozialer Ausgewogenheit vorsehen.

Während Sozialdemokraten und ANO einander zu nähern scheinen, gibt es noch Spannungen zwischen der CSSD und den Christdemokraten. Streitpunkt ist die Rückgabe des Kircheneigentums. Sollte die KDU-CSL aus diesem Grunde nicht der Koalition beitreten, könnten Sie sich die Kommunisten in der Regierung vorstellen?
Rein rechnerisch könnten wir natürlich eine Koalition mit ČSSD und ANO bilden, wir hätten eine souveräne Mehrheit im Parlament. Doch ich fürchte, dass die rechtsgerichteten Kreise von ANO und auch in den Reihen der Sozialdemokraten sich nicht vorstellen können, mit uns Kommunisten zusammenzugehen.

In der Tat ist es so, dass die ČSSD beweisen muss, ob sie zu ihren Wahlversprechen stehen. Die Frage der Rückgabe des Kircheneigentums ist da ein wichtiger Punkt. Vor den Wahlen haben die Sozialdemokraten versprochen, das von der bürgerlichen Regierung unter Petr Nečas verabschiedete Gesetz wieder abzuschaffen. Wir sprechen immerhin von einer Rückgabe im Wert von 75 Milliarden Kronen und einer weiteren Zahlung von 59 Milliarden Kronen innerhalb der nächsten Jahre. Das kann der tschechische Staat nicht leisten. Wir sind der Auffassung, dass zumindest erst einmal ein Moratorium verhängt werden sollte, bevor Immobilien oder Werte an die Kirche zurückgegeben werden. Die Kommunistische Partei hat vorgeschlagen, über die Restitution der Kirchengüter in einem Referendum abzustimmen. Gegenwärtig sind wir dabei, die Fraktionen von ČSSD und ANO in Gesprächen zur Zustimmung zu einem solchen Referendum zu bewegen. Wenn das Gesetz nicht völlig abgeschafft werden kann, muss es zumindest so modifiziert werden, dass die Kirchen einen Finanzausgleich akzeptieren, der vom Staat auch erbracht werden kann. Aus welchen Mitteln das zu finanzieren ist, muss noch untersucht werden.

Das betrifft ja die gesamte Haushaltspolitik. Die vorgezogenen Wahlen fanden zu einer Zeit statt, da das Parlament eigentlich über den Haushalt 2014 abstimmen sollte. Das wird sich nun verschieben.
Das ist ein großes Problem, vor dem das neue Abgeordnetenhaus steht. Die Haushaltsentwürfe stammen noch aus der Zeit der Regierung Nečas. Das sind Entwürfe, mit denen eigentlich niemand zufrieden ist. Der erste Entwurf sah für 2014 eine Neuverschuldung von 85 Milliarden Kronen vor, später war sogar von 112 Milliarden die Rede. Doch wenn wir die Maastricht-Vereinbarungen einhalten wollen, nach der die Neuverschuldung drei Prozent des Bruttoinlandproduktes nicht übersteigen soll, müssen wir den Haushalt für das kommende Jahr noch deutlich nachbessern. Da treten bereits die ersten Schwierigkeiten zwischen den neuen Koalitionspartnern auf: Die Sozialdemokraten wollen eine höhere Besteuerung für Besserverdiende und Reiche, ein Vorschlag, den Herr Babiš (Chef der ANO - d. Red.) aber überhaupt nicht billigt.

Wir dagegen sind in unserem Programm gar nicht so weit entfernt von der ČSSD. Ich bin gespannt, wie die Koalition das Problem lösen will. Ich bin jedenfalls überzeugt davon, dass der Haushaltsvorschlag in der vorliegenden Form nicht die Zustimmung des neuen Parlaments finden wird, es wird also zu Nachbesserungen kommen. Die neuen Kräfte im Parlament - ANO, Usvit und KDU-ČSL - haben erklärt, dass sie den Haushaltsentwurf erst einmal studieren müssen. Eine erste Lesung werden wir also kaum vor Weihnachten erleben.

Viele Wähler erwarteten von den Wahlen einen Linksschwenk, der aber nicht eingetreten ist: Das Parlament tendiert eher nach rechts. Wie schätzen Sie die Situation ein?
Ich denke, dass viele Wähler einen Wandel in unserem Land wollten. Sie sind dafür, dass bestimmte »linke Wertevorstellungen« verwirklicht werden. Das heißt aber nicht unbedingt, dass sie sich auch an die politischen Vertreter der Linken binden wollen. Die meisten wollten die Veränderung, aber sie haben nicht konsequent eine linke Veränderung gewählt.

Allerdings hat das Wahlergebnis dazu geführt, dass wir in die Politik vielleicht eine höhere Kultur und eine Verbesserung der Legislative einbringen können. Druck von links kann dazu beitragen, dass die Reformen, die von der bürgerlichen Regierung nicht umgesetzt werden konnten, nun in Angriff genommen werden. Und das vor allem ohne soziales Dumping. Dafür werden wir uns im nationalen und auch im europäischen Rahmen einsetzen. Insbesondere gilt das auch für den Umgang mit internationalen Investoren. Die Praxis zeigt, dass wir dies in Zusammenarbeit mit den Sozialdemokraten auf regionaler Ebene bereits gut verwirklichen, auch wenn wir jetzt keine Koalition in Prag eingehen.