Köhlerverein will auf die UNESCO-Liste

Die uralte Kunst der Schwarzen Männer im Erzgebirge droht verloren zu gehen - vielleicht hilft eine Bewerbung um den Kulturerbe-Titel

  • Harald Lachmann
  • Lesedauer: 4 Min.
Noch bis Monatsende können sich in Sachsen Gemeinschaften, die ohne kommerzielles Interesse Kulturerbe vermitteln, um den Titel »Immaterielles Kulturerbe« bewerben. Ein Verein aus Sosa hat dies getan.

Als sich kurz der dichte Rauch verzieht, schält sich am Waldrand eine kräftige Gestalt heraus: Ein Mann schlägt mit einer Schippe auf die kohlschwarze Außenhaut eines Meilers. Dann greift er einen Stock mit einer Holzwalze am Ende und drückt Scheite in die qualmende Pyramide zurück. Er weiß, passt er nicht auf, dringt schnell Sauerstoff in den Meiler. »Dann schießt plötzlich eine Flamme heraus und das Holz verbrennt«, erläutert er.

Doch genau das will der Köhler, der Dieter Marggraf heißt, natürlich nicht. Die Scheite, die er Tage zuvor zur Halbkugel aufgestapelt hatte, sollen ja bei knapp 400 Grad nur schwelen, damit es Wasser, Gase und Teer aus dem Holz treibt. Seit er den Meiler entzündet hat, muss er jedoch rund um die Uhr darüber wachen, dass die äußere Abdeckung aus Erde, Kohlegrieß und Grasnarbe dicht bleibt.

Öffnet er schließlich den Meiler, bleiben 16 Raummeter beste Holzkohle übrig. »Sie besteht aus fast reinem Kohlenstoff und hat so einen sehr hohen Heizwert«, versichert er. So musste der 70-jährige auch nie über Absatznöte klagen, seit er 1989 die Sosaer Köhlerei vom Staatsforstbetrieb Eibenstock übernahm. »Drei Viertel Buche, ein Viertel Nadelholz - das wollen die Leute so«, erzählt er.

Jedoch kohlte auch Marggraf zuletzt in Stahl-Retorten. Das ging nicht nur schneller und effektiver, er konnte so auch flüchtige Nebenprodukte beim Verschwelen weiternutzen, etwa Holzgas oder Holzteer. Und doch rechnete sich am Ende alles so wenig, dass sein Sohn die Köhlerei nicht weiterführen wollte. Denn während Waldholz latent teurer wird, drücken Discounter die Preise für Holzkohle ins Bodenlose.

So entfacht auch der Senior nur noch einen Meiler, meist wenn der Köhlerverein Erzgebirge e.V. zu Festen lädt. Der hat seinen Sitz ebenfalls auf dem Köhlerhof Sosa und ist selbst international weithin bekannt. Denn auch der Europäische Köhlerverein mit Mitgliedern in zehn Ländern wird von hier aus koordiniert. Als geistiger Vater, langjähriger Chef und heutiger Ehrenpräsident dieser kontinentalen Vereinigung agiert seit 1997 Heinz Sprengel, ein pensionierter Schulleiter aus Schneeberg. »Seit Menschen vor 5000 Jahren begannen, Holzkohle erst für Schmiedefeuer, dann für Bergbau und Hüttenwerke zu schwelen, geschah dies meist dort, wo reichlich Bäume wuchsen und der Boden Erze barg - in Mittelgebirgen«, erzählt er. Allein in den dunklen Wäldern um den Auersberg, »rauchten einst 160 Meilerplätze, um die Zinn- und Silberhütten zu beliefern«. Bei Sosa entstehe seit 700 Jahren Holzkohle. Sprengel arbeitet derzeit an einem Zentralarchiv zur Köhlereigeschichte. Denn Handeln täte Not, beteuert er. Zum einen drohe das uralte Gewerbe, das nie als Beruf gelehrt wurde, in Europa auszusterben. Zum anderen finde sich auch erschreckend wenig in Annalen und Chroniken über jene Waldwerker, die man früher gern als Schwarze Männer verschrie. Denn sie waren arm, galten als grob und ungebildet. Und sie wirkten tief im Tann, so dass sich manch Legende um ihr Tun rankte.

Reich wurde keiner von ihnen, doch zumindest durften die Köhler ab 1721 auch die Bergmannsuniform tragen. Und doch überdauerten nur wenige ihrer Spuren: »War ein Meiler abgebrannt war, blieb halt nichts übrig«, sagt Sprengel.

Auch deshalb kam den Traditionsköhlern unlängst die Idee, gemeinsam mit den Teerschwelern, denen es ähnlich geht, die Aufnahme in das Immaterielle Weltkulturerbe der UNESCO zu beantragen. Die Bewerbung läuft über die Landesregierung, die bis zum 30. November Anträge sammelt. Jedoch weiß Sprengel, dass Dresden nur zwei Vorschläge an eine nationale Jury weiterreichen darf. So soll denn ihr Plan - falls es auf sächsischer Ebene nicht klappt - auf dem Umweg über eine länderübergreifende Bewerbung gelingen. In der Schweiz und in Österreich zählt das Handwerk der Köhler und Teerschweler schon zum immateriellen Erbe.

Womöglich bekommt damit auch Dieter Marggraf noch sein ehrgeiziges Vorhaben auf die Reihe, seine alte Arbeitsstätte in eine Museumsköhlerei umzuwandeln. Er denkt an einen Themenpark mit Meilermodellen, dampfenden Retorten, Kohlgräben, historischen Köhlerhütten, authentischem Werkzeug und Schautafeln. In Sosa, das sich schon lange als Köhlerdorf feiert, fände man das gut. Doch Eibenstock, wozu der Ort heute gehört, ist de facto pleite. So hofft der Verein vorerst auf private Sponsoren für den benötigten Grundstock von 15 000 Euro.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal