nd-aktuell.de / 21.11.2013 / Brandenburg / Seite 12

Der jüngste Kandidat

Mit 14 trat Konstantin Gräfe in die LINKE ein, mit 21 Jahren tritt er zur Landtagswahl an

Andreas Fritsche
Mit dem 21-jährigen Konstantin Gräfe stellte die LINKE wahrscheinlich ihren jüngsten Kandidaten für die Landtagswahl 2014 auf. Die Nominierungen dauern allerdings noch an.

Ein Foto zeigt den jungen Wuschelkopf Konstantin Gräfe in dem Moment, als ihn Linksfraktionschef Christian Görke mit einem Blumenstrauß beglückwünschen möchte. Die Augen des jungen Mannes sind beinahe geschlossen. Vielleicht richtet er den Blick bescheiden nach unten, womöglich hat ihn aber auch nur das Blitzlicht der Kamera geblendet.

Überraschend nominierte die LINKE am Dienstagabend den erst 21-jährigen Genossen für die Landtagswahl am 14. September kommenden Jahres. Er ist nun Direktkandidat im Wahlkreis 20. Dieser Wahlkreis liegt südwestlich von Berlin im Landkreis Potsdam-Mittelmark. Die Stadt Teltow und die Gemeinden Kleinmachnow, Stahnsdorf und Nuthetal befinden sich dort. Es sind Orte, die in den zurückliegenden zwei Jahrzehnten einen enormen Zuzug aus Westberlin und Westdeutschland erlebten. Kleinmachnow beispielsweise ist insofern kaum noch anzumerken, dass es einmal zur DDR gehörte. Die gebürtigen Ostdeutschen sind dort heute deutlich in der Minderheit.

Konstantin Gräfe ist auch ein Zuzügler. Er kam 2011 aus dem bayerischen Allgäu, um Politik, Verwaltung und Organisation an der Universität Potsdam zu studieren. Im fünften Semester befindet er sich mittlerweile und wohnt in Rehbrücke. Der 21-Jährige hätte vor der entscheidenden Versammlung im Bürgerhaus in Teltow selbst nicht geglaubt, dass er das Rennen machen würde. In der Abstimmung setzte er sich mit 28 zu 23 Stimmen gegen Klaus-Jürgen Warnick durch, der 2009 in diesem Wahlkreis kandidiert hatte - allerdings vergeblich.

Warnick ist eine fast legendäre Person. In der DDR mied der 1952 Geborene die SED, die FDJ und das Wahllokal. Er fand, dass die da oben die schöne Idee des Sozialismus kaputt machen. Schrittweise hatte er sich ab 1974 in Kleinmachnow eine verfallene Laube zum Eigenheim ausgebaut. Doch 1990 stand der Alteigentümer aus Berlin-Wilmersdorf vor der Tür und wollte ihn, die Frau und die Kinder rauswerfen. Warnick gehörte zu den ersten Ostdeutschen, die sich gerichtlich wehrten. Sein Fall machte Schlagzeilen. Auch der »Spiegel« berichtete seinerzeit. Das Nachrichtenmagazin schrieb, dass in dem »Villenvorort« 70 Prozent der Quartiere von Westlern beansprucht werden. Das sei die höchste Quote in Ostdeutschland. Warnick gelang es, in dem Haus zu bleiben. Weil nur die PDS damals helfen wollte, kam es zur Annäherung. Als Parteiloser zog Warnick 1994 für die PDS in den Bundestag ein und 1999 in den Landtag. Bis 2004 saß er im Parlament.

Gegen diesen gestandenen Mann setzte sich nun der Student Gräfe durch. Als 14-Jähriger schloss sich Gräfe 2007 der Linkspartei an. Die Eintrittserklärung versendete er am Tag des Vereinigungsparteitags mit der Wahlalternative Arbeit & soziale Gerechtigkeit (WASG). Er wollte Teil des Projektes sein, mit dem eine gesellschaftliche Veränderung in Deutschland möglich sein könnte. »Als wichtigste politische Zielstellung sehe ich eine bessere finanzielle Ausstattung der öffentlichen Schulen«, erklärt Gräfe. Gefragt nach den Chancen, die er sich bei der Landtagswahl ausrechnet, antwortet er diplomatisch, er werde »bis zum Schluss um jede Stimme kämpfen«. Vor allem gehe es jedoch um die Zweitstimmen für die Partei.

Auch der Kreisvorsitzende Jan Eckhoff - mit 27 Jahren ebenfalls noch sehr jung - beurteilt die Lage realistisch. »Wir werden natürlich alles geben«, verspricht er, denkt aber über die Landtagswahl hinaus. »Das wir den Generationswechsel gewagt haben, kann uns langfristig helfen.«

Als der Landtagsabgeordnete Torsten Krause (LINKE) 2004 erstmals ins Parlament einzog, war er ein Jahr älter als Gräfe es nun wäre, wenn ihm das Kunststück gelingt. Tatsächlich dürfte es schwer werden, den Wahlkreis 20 zu gewinnen. Gräfe könnte demnach in Ruhe zu Ende studieren. Für die Zukunft schwebt ihm vor, bei einer NGO - einer Nichtregierungsorganisation - zu arbeiten. NGOs gibt es ganz verschiedene. Einige engagieren im Naturschutz, andere in der Entwicklungshilfe für die Dritte Welt. Gräfe interessiert sich für eine NGO, die sich um Themen wie Innenpolitik, Überwachung und Rechtsstaatlichkeit kümmert.