Ferienfreuden nicht mehr im Wohngebiet

Das Abgeordnetenhaus beschloss ein Gesetz, das die Zweckentfremdung von Wohnraum verhindern soll

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Berlin geht gegen die zunehmende Umnutzung von Miet- in Ferienwohnungen vor. Das Abgeordnetenhaus beschloss ein entsprechendes Gesetz.

Die Zahl der Rollkoffer, die durch Wohngebiete scheppern, könnte sich demnächst verringern. Mit einem »Gesetz über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum«, das am Donnerstagabend nach jahrelanger Diskussion vom Abgeordnetenhaus beschlossen wurde, will die rot-schwarze Koalition verhindern, das Mietwohnungen gewerblich und befristet an Touristen vermietet werden. Schätzungsweise bis zu 15 000 Ferienwohnungen gibt es in der Stadt, die so zusätzlich für Wohnungsknappheit und steigende Mieten sorgen. Zudem beklagen sich viele Anwohner über ständige Partys, Lärm und Müll der Touristen.

Besonders in der Wilhelmstraße in Mitte und den Szenevierteln Prenzlauer Bergs und Friedrichshain-Kreuzbergs nutzten viele Vermieter diese bisherige Möglichkeit, mit Wohnungen mehr Geld zu verdienen. »Diesen Wildwuchs besonders in den besten Wohnlagen wollen wir nicht«, so Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD). Bis Ende März nächsten Jahres will er eine Verordnung erlassen, die die Details des Gesetzes regeln soll.

Auf dieser Grundlage sollen dann die Bezirke auch die Umwandlung von Wohn- in Gewerberäume etwa für Anwaltskanzleien oder Artpraxen verbieten können. Ebenso soll spekulativer Leerstand (länger als sechs Monate, ohne dass saniert wird) oder der Abriss von Wohnungen verhindert werden. Sondergenehmigungen für eine Zweckentfremdung soll es geben, wenn sie im Interesse des Gemeinwohls liegt - beispielsweise für Arztpraxen, Kitas, Tagesmütter oder zur Unterbringung von Asylbewerbern. Bereits bestehende gewerbliche Nutzungen sind von dem Verbot ausgenommen, für sie gilt der Bestandsschutz.

Den gibt es befristet auch für bestehende Ferienwohnungen. Sie sollen erst nach einer Übergangsfrist von zwei Jahren wieder in Wohnraum umgewandelt werden. Der Countdown beginnt nach Inkrafttreten der Verordnung, wenn die Eigentümer die Wohnungen innerhalb von drei Monaten dem Bezirksamt melden müssen. Wer neue Ferienwohnungen betreiben will, muss dies beim Bezirksamt beantragen. Das hat dann innerhalb von acht Wochen darüber zu entscheiden, in Ausnahmefällen gelten auch 14 Wochen. Der Haken: Ist der Antrag in dieser Frist nichtbearbeitet worden, gilt er als genehmigt.

Diese Regelung wird von der Opposition scharf kritisiert: In den Bezirken fehle das Personal, um die Anträge rechtzeitig zu bearbeiten, so die wohnungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Katrin Lompscher. Ihre Kollegin von den Grünen, Katrin Schmidberger, wirft der Koalition deshalb »Symbolpolitik« vor. »Es ist voraussehbar, dass es in einigen Bezirken eine Antragsflut geben wird, aber das Personal für die Bearbeitung der Anträge nicht ausreicht.« Dann entscheide der Poststempel darüber, ob eine Ferienwohnung zulässig ist. Selbst die IHK hält das Gesetz für ein »wohnungspolitisches Placebo«, das sich gegen die »legalen Ferienwohnungsanbieter« richte.

Auch die Bezirke sind skeptisch. »Um das Gesetz umzusetzen, brauchen wir etwa zehn Leute«, so Mittes Bezirksbürgermeister Christian Hanke (SPD). Das Ganze sei »nicht nur ein Schreibtischjob«, sondern müsse auch kontrolliert werden. Laut Stadtentwicklungssenator wird es aber höchstens zwei bis drei neue Stellen pro Bezirk geben.

Der zweite Kritikpunkt der Opposition richtet sich gegen die Übergangsfrist, in denen sich die Vermieter auf die neue Rechtslage einstellen können. »Sie geben Betreibern von Ferienwohnungen für zwei Jahre den Freibrief, einfach weiterzumachen wie bisher«, so Schmidberger. Der Berliner Mieterverein hält dies jedoch für einen vertretbaren Kompromiss, um rechtliche Bedenken gegen das Gesetz auszuräumen. Vor gut zehn Jahren war die damals bestehende Zweckentfremdungsverbot von einem Gericht gekippt worden. »Ursprünglich sollten alle bestehenden Ferienwohnungen Bestandsschutz genießen und nur die Einrichtung neuer verboten werden«, so der Geschäftsführer des Mietervereins, Reiner Wild. Die jetzige Regelung sei ein erster Schritt, jetzt müsse sie auch »mit Aktivitäten gefüllt werden«. Das bedeute auch eine entsprechende Personalausstattung der Bezirke.

Übermäßig viel zusätzliche Arbeit sieht Wild auf sie aber gar nicht zukommen. »Neue Anträge auf Ferienwohnungen müssen eigentlich gar nicht geprüft werden. Um sie abzulehnen, genügt ein Federstrich.« Und bei der Kontrolle, ob das Verbot der Feriennutzung auch eingehalten wird, verspricht er Unterstützung des Mietervereins. »Wir bereiten schon Musterschreiben vor, damit unsere Mitglieder die Zweckentfremdung dem Bezirk anzeigen können.«

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