nd-aktuell.de / 23.11.2013 / Wissen / Seite 27

Energiereiche Neutrinos im Eiswürfel

Weltgrößter Teilchendetektor spürt kosmische Elementarteilchen auf

Mit einem riesigen Detektor im ewigen Eis der Antarktis haben Forscher erstmals energiereiche Neutrinos aus den Tiefen des Kosmos beobachtet. Neutrinos sind fast masselose Elementarteilchen ohne elektrische Ladung. Sie sind einzigartige Boten der energiereichsten Ereignisse im Weltall, wie zum Beispiel Sternenexplosionen. »Dies ist der erste Hinweis auf sehr hochenergetische Neutrinos, die von jenseits unseres Sonnensystems kommen«, sagte Projektleiter Francis Halzen von der Universität von Wisconsin-Madison (USA).

Die insgesamt 28 Neutrinos mit Energien oberhalb von 30 Tera-Elektronenvolt (TeV) wurden vom IceCube-Detektor am Südpol eingefangen, dem größten Teilchendetektor der Welt. Der besteht aus 5160 optischen Sensoren, die im Eis der Antarktis in einer Tiefe von 1450 bis 2450 Metern an 86 Drahtseilen versenkt wurden. Wenn Neutrinos mit Eis interagieren und dabei Teilchenschauer geladener Teilchen erzeugen, entstehen winzige blaue Lichtblitze, das Cherenkov-Licht, welches die Sensoren registrieren. Nach Angaben der Technischen Universität München, die ebenfalls an dem Projekt beteiligt ist, wurde die Installation des einen Kubikkilometer großen IceCube im Jahr 2010 nach sieben Jahren Bauzeit abgeschlossen.

Neutrinos aus dem Kosmos wurden bereits bei der Sternenexplosion Supernova 1987A entdeckt. »Die jetzt mit IceCube nachgewiesenen Neutrinos haben allerdings millionenfach höhere Energien als jene von der Supernova 1987A«, betonte Markus Ackermann, der Leiter der Neutrinoastronomiegruppe beim Deutschen Elektronen-Synchrotron Desy (Hamburg) vom Standort Zeuthen bei Berlin. Zwei der 28 nachgewiesenen Teilchen erreichten sogar eine Energie von mehr als 1000 TeV. Das entspricht nach Desy-Angaben der Bewegungsenergie einer Fliege, allerdings geballt in einem winzigen Elementarteilchen.

»Wir erleben vielleicht gerade die Geburtsstunde der Neutrinoastronomie«, sagte Ackermann. Eine räumliche oder zeitliche Häufung der 28 Ereignisse, die auf eine bestimmte kosmische Quelle hindeuten würde, konnten die IceCube-Forscher nicht feststellen. Dazu ist die Anzahl noch zu klein. Mit steigenden Nachweiszahlen hoffen die Wissenschaftler, einzelne Quellen der energiereichen Neutrinos im Kosmos identifizieren zu können.

Dem IceCube-Team gehören rund 260 Wissenschaftler aus zwölf Ländern an. Aus Deutschland sind neben dem Desy auch mehrere Hochschulen beteiligt. Das Team berichtet über die Entdeckung im US-Fachjournal »Science« (DOI: 10.1126/science. 1242856). dpa/nd