nd-aktuell.de / 23.11.2013 / / Seite 25

Dunant und das Rote Kreuz

Kalenderblatt

Rudolf Walther

Die Schlacht von Solferino am 24. Juni 1859 zwischen den Heeren Victor Emmanuels von Sardinien und Napoleons III. auf der einen Seite sowie der Armee des österreichischen Kaisers Franz Josephs I. auf der anderen forderte fast 40 000 Tote und ein Vielfaches an Verletzten. Der Genfer Bankier Henry Dunant besuchte das Schlachtfeld am Tag nach der Metzelei. Entschlossen packte er mit an beim Transport und bei der Behandlung von Verwundeten und wurde als »der Mann im weißen Kolonialanzug« zur Legende.

In seinem 1862 erschienenen Buch »Eine Erinnerung an Solferino« schilderte Dunant das Schicksal der Verletzten. Für je 4000 Verwundete stand nur ein Arzt zur Verfügung - für Pferde doppelt so viele Veterinäre. Dunant schickte sein Buch an Politiker, Militärs und Schriftsteller sowie an Höfe und Regierungen in ganz Europa. Die Resonanz war gewaltig. Victor Hugo schrieb ihm begeistert: »Den Krieg verhasst zu machen bedeutet, die Könige verhasst zu machen. Sie bewaffnen die Menschlichkeit und dienen der Humanität.«

Zusammen mit den Genfer Patriziern Gustave Moynier und Théodore Maunoir sowie dem greisen General Henri Dufour und dem Arzt Louis Appia formulierte Dunant die Idee der »Unterstützung kriegführender Armeen durch Korps von freiwilligen Krankenhelfern« in einem zehn Punkte umfassenden Memorandum. Das war im Spätherbst 1863, vor 150 Jahren. Die Regierungen Europas wurden zu einer Konferenz eingeladen. Am 22. August 1864 wurde in Genf die »Konvention zur Verbesserung des Loses der Verwundeten auf dem Feld« unterzeichnet - die Geburtsstunde des Roten Kreuzes. Das war nichts Geringeres als eine Revolution, denn erstmals wurden völkerrechtliche Vereinbarungen - außerhalb von Friedensverträgen zwischen mehreren Staaten - nicht bilateral, sondern multilateral geschlossen und obendrein auf einem Gebiet, das nicht staatliche Belange, sondern potenziell alle Bürger betraf. Es war der erste Schritt vom Recht zwischen Staaten zu einem an Bürger- und Menschenrechten orientierten Recht der Völker.

Am 10. Dezember 1901 erhielt Henry Dunant (1828-1910) zusammen mit dem französischen Ökonomen und Pazifisten Frédéric Passy den erstmals vergebenen Friedensnobelpreis