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Koalitionsverhandlungen als Schlussverkauf

Sieben Tage, sieben Nächte

  • Lesedauer: 2 Min.

»Zwischen Liebe und Zorn«. Die Zeile von Renft - das haben wir in den letzten 23 Jahren zum Erbrechen lernen müssen - ist wahrlich nicht allein als Umschreibung für schwankende realsozialistische Gefühlszustände geeignet. Zwischen Liebe und Zorn verlief auch die zu Ende gehende vierte Verhandlungswoche, da in diversen Haupt-, Mittel- und Unterhändlergruppen der geplanten Großen Koalition ein heftiges Feilschen von CDU, CSU und SPD auf dem Politbasar zu beobachten war. »An Tagen wie diesen« ist vom Siegesgeheul der Union wenig übrig geblieben. Inzwischen dienen die Toten Hosen nur noch als Zustandsbeschreibung. Auch wenn zwischen dem ziemlich hilflosen SPD-Parteitag in Leipzig und dem am Wochenende zu erwartenden Gebrüll des bayerischen Löwen in München ein voradventlicher Wunschzettel nach dem anderen das Licht der Welt erblickte, um Stunden später von einem künftigen Regierungspartner in der Luft zerrissen zu werden.

Nachdem SPD-Chef Sigmar Gabriel einen künftigen Flirt der Seinen mit der Linkspartei verkündet hatte, um die schwarzen Verhandlungspartner unter Druck zu setzen, den positiven Ausgang des Mitgliedervotums der Sozialdemokraten zu befördern, wurden die müden Geister bei der Union allerdings wieder wach. Man sei kein Lieferservice reagierte der amtierende Umweltminister Peter Altmaier noch gewohnt schlagfertig. Aber CSU-Chef Horst Seehofer holte - und das ist ebenfalls nicht neu - den großen Knüppel hervor und drohte mit Neuwahlen. Die Grünen - so überraschend ist das auch nicht - verkündeten beflissen, erneut bereitzustehen, sollten die im übertragenen wie tatsächlichen Sinne anarchischen schwarz-roten Gespräche zu nichts führen. Selbst Gedankenspiele von einer Minderheitsregierung Merkel machten die Runde. Misstöne, die die Kanzlerin zwei Monate nach der Wahl animierten, den Taktstock zu heben: Man mache es sich eben nicht einfach, ließ sie das genervte Publikum wissen.

Zwischen Liebe und Zorn bewegen sich aber offenbar weit mehr als die drei Parteivorsitzenden. An der Basis rumort es in allen beteiligten Parteien. Schließlich sollen noch über 100 Fragen offen sein und selbst die schon im Grundsatz getroffenen Vereinbarungen stehen unter Finanzierungsvorbehalt. Und bei Weitem nicht nur Mindestlohn, Maut und Mütterrente erregen die Gemüter der einfachen Parteimitglieder. Da allenthalben betont wird, Mitte kommender Woche wolle man nun endlich zu Potte kommen, steht zu fürchten, dass viele der im Wahlkampf von allen drei Parteien vertretenen politischen Essentials nunmehr in einem eilig anberaumten Schlussverkauf verramscht werden. oer

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