Managergehälter sollen gestutzt werden

Die Schweiz stimmt am Sonntag in einem Referendum über die Lohnungleichheit ab

  • Sabine Hunziker, Bern
  • Lesedauer: 3 Min.
In der Schweiz wollen Sozialdemokraten und Gewerkschaften die Gehälter von Managern auf das Zwölffache des niedrigsten Lohnes in der Firma beschränken.

Auch in der Schweiz wächst die Lohnungleichheit. In den 80er Jahren erhielten die Chefs größerer Unternehmen einen ähnlichen Lohn wie Bundesräte. Erst Ende der 90er Jahren stiegen die Gehälter rapide: Der durchschnittliche Höchstlohn im Verhältnis zum mittleren Lohn beträgt heute 1:43. Diese »Macht der Manager« entstand dank dem Filz an den Konzernspitzen. Wie in den USA sind Führungskräfte oft direkt an den Profiten beteiligt. Dies passiert mit der Unterstützung der Aktionäre, die durch Anreize Gewinne und Aktienwerte in die Höhe treiben wollen. Das Nachsehen haben die übrigen Beschäftigten, ohne deren Arbeit kein Manager Umsatz machen kann.

Grund genug für die Jungsozialisten JUSO zu handeln. Sie brachten 2009 die Initiative 1:12 auf den Weg. Dabei soll die Bundesverfassung wie folgt verändert werden: Der höchste Lohn darf nicht höher als das Zwölffache des niedrigsten im Unternehmen sein. Ausnahmen sind das Gehalt von Personen in Ausbildung, bei Praktikanten, bei Leiharbeit usw. »Mit diesem Verhältnis wollen wir die Abzocker wieder auf den Boden der Realität zurückbringen«, sagt David Roth, Präsident der JUSO Schweiz. Roth und Cédric Wermuth, vorheriger Präsident und heute Nationalrat der Sozialdemokratischen Partei, haben zusammen mit ihren Genossen eine erfolgreiche Kampagne organisiert.

Es verging zuletzt kaum eine Woche, in der nicht in einer hitzigen Debatte zur Lohnungleichheit über mindesten eine Aktion der Jungpartei berichtet wurde. Am Sonntag nun wird über die Initiative landesweit abgestimmt. Natürlich sind nicht alle mit dieser Vorlage einverstanden - dazu gehören nationalkonservative, bürgerliche wie linke Parteien. Lukas Reimann, Nationalrat der Schweizerischen Volkspartei, meint: »Dieses staatliche Lohndiktat würde uns Milliardenlöcher bei Steuern und die Auslagerung von Arbeitsplätzen bescheren.« Auch Flurin Stocker, Geschäftsführer der liberalen Partei Jungfreisinnige Schweiz, hat diese Bedenken und ergänzt: »Der Staat darf nicht in die Freiheit der einzelnen Unternehmen eingreifen - diese entscheiden direkt mit den Sozialpartnern oder ihren Angestellten über die Höhe der Löhne.« Doch gerade Sozialpartner wie die Gewerkschaft UNIA unterstützen die Initiative 1:12.

Für sie spricht, dass sich die Gesamtlohnsumme durch die Initiative nicht verändern wird. Eine Umverteilung ist zwar nicht garantiert, kann aber erwartet werden. Angstmacher-Argumente wie ein Exodus der Unternehmen sind nicht realistisch, Vorteile wie tiefe Unternehmenssteuern oder gute Infrastruktur ebenfalls wichtig. Nur wenige Firmen sind zudem von der Initiative betroffen. Viele genügen diesen Anforderungen schon jetzt.

Linke wie die Partei der Arbeit stimmen zwar für die Initiative, bemängeln jedoch, dass es auch bei einer Annahme keine Lohngerechtigkeit geben werde; zumindest aber würde die Ungerechtigkeit vermindert. Wie die PdA plädiert auch die FAU (Freie Arbeiterinnen und Arbeiter Union) für ein Verhältnis 1:1 - das heißt gleiche Löhne für alle. Wobei die FAU kritisiert, dass die Debatte im Dunstkreis eines »linken Nationalismus« stehe. Gewerkschaften und linke Politiker bezeichnen beispielsweise die heutigen Lohnunterschiede als »unschweizerisch«, als wäre das Schweizerische »sozial, bescheiden und anständig«. Doch der Erfolg dieses »nationalen Wertes« ist längst über die Landesgrenzen hinausgeschwappt.

Spaniens Sozialdemokraten (PSOE) etwa haben die JUSO-Forderung unlängst in ihr Programm aufgenommen. Die JUSO will aber nicht nur die Managergehälter ändern, sondern das System. Die nächste Forderung wird eine Mindestlohninitiative sein. Trotzdem, so Dr. Bernard Degen, Schweizer Historiker für Wirtschafts- und Sozialgeschichte, könne man heute nicht von »kommunistischen Zuständen« sprechen, die die politischen Gegner befürchten. Ein Ja beim Referendum wäre die Rückkehr zum erfolgreichen schweizerischen Kapitalismus vor der neoliberalen Wende.

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