Chemiewaffen-Entsorger gesucht

Widersprüchliches zur Vernichtung syrischer Kampfstoffe auch aus Merkels Kanzleramt

  • René Heilig
  • Lesedauer: 2 Min.
Die Vernichtung der syrischen Chemiewaffen wird zum Problem. Alle bislang angefragten Länder haben abgelehnt, die Waffen auf ihrem Territorium zu vernichten. Und Deutschland eiert herum.

Nach dem Einsatz chemischer Waffen Ende August in Vororten der syrischen Hauptstadt - dessen Urheber nicht zweifelsfrei festgestellt ist - setzte der Westen dem Machthaber Bachar-al-Assad ein Ultimatum: Vernichtung der Kampfstoffe oder Krieg.

Assad lenkte rasch ein, beantragte die Aufnahme seines Landes in den Kreis derer, die ein C-Waffenverbot akzeptieren und erfüllte auch sonst vorbildlich alle Vorgaben. Inspekteure der Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW) zerstörten bis Ende Oktober alle Produktionsstätten und stellten über 1000 Tonnen Kampfstoffe sicher. Die müssen nun bis zum Frühjahr 2014 beseitigt werden, verlangt die OPCW.

Völlig unklar ist, wie und vor allem wo das geschehen könnte. Albanien und Belgien haben eine Zerstörung der Waffen auf ihrem Territorium abgelehnt. Wie stellt sich Deutschland dem Problem? Christoph Heusgen, Abteilungsleiter im Kanzleramt und so etwas wie das außenpolitische Gehirn der Staatschefin, hatte am Dienstag in der Konrad-Adenauer-Stiftung gesagt, Berlin stehe zu seiner Verantwortung und es gebe deutsche Unternehmen, »wo man etwas machen kann«. Es sei »gar nicht ausgeschlossen«, dass Deutschland einen Beitrag leistet.

Das ließ Experten aufhorchen und Journalisten in der Bundespressekonferenz nachfragen. Dort sagte Regierungssprecher Steffen Seibert jedoch: »Es gibt keinen Kurswechsel. Die Bundesregierung hat von Anfang an ihre Bereitschaft erklärt, logistisch wie finanziell an der Vernichtung der syrischen C-Waffen mitzuwirken, weil uns das ein wichtiges Anliegen ist, wie es der gesamte Weltgemeinschaft ein wichtiges Anliegen ist.« Dann sagte Seibert aber: »Die Vorstellung, dass die syrischen C-Waffen in Deutschland vernichtet werden, ist allerdings für die Bundesregierung nicht denkbar.«

Angesichts der Masse, die zu vernichten ist, wäre der Aufbau einer Anlage vor Ort sicher eine gute Option. Auch weil die gefährlichen Stoffe dann nicht quer durch das syrische Kriegsgebiet und um die halbe Erde transportiert werden müssten. Solche Anlagen werden in Deutschland nach höchstem Standard produziert. Doch in der vorgegebenen Zeit sind Bau und Betrieb solcher - ortsfesten wie mobilen - Anlagen nicht zu schaffen. Eine weitere Möglichkeit wäre die Vernichtung in Russland. Das ist vermutlich vor allem eine Frage entsprechender Anträge, Verträge und der Bezahlung.

Aus den USA kommen derweil Überlegungen, zumindest Teile des syrischen Arsenals auf einem Schiff oder einer schwimmenden Plattform zu vernichten. Das ist technisch machbar. Sowohl die USA als auch Japan haben auf diese Weise solche gefährlichen Massenvernichtungswaffen beseitigt: die USA in den 1990er Jahren auf einem Pazifik-Atoll und Japan 2004 bis 2006 vor dem Hafen Kanda. Dabei hat es sich um weitaus geringere Kampfstoffmengen gehandelt.

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