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Unternehmer werden geschont

Union und SPD einigen sich bei den Koalitionsgesprächen in der Gesundheitspolitik / Absage an die Kopfpauschale

  • Ulrike Henning
  • Lesedauer: 3 Min.
Beinahe harmonisch sind die Koalitionsverhandlungen zu Gesundheit und Pflege verlaufen. Bei der Finanzierung konnte sich die Union durchsetzen. Dafür feiert die SPD den Sieg über die Kopfpauschale.

Sollte eine Große Koalition noch scheitern, dann wird es nicht an Streitigkeiten in der Gesundheitspolitik liegen. Die Verhandlungspartner erzielten eine Einigung in Fragen der Finanzierung der Pflege und Gesundheitspolitik, wie die Verhandlungsführer Jens Spahn (CDU) und Karl Lauterbach (SPD) am Freitag in Berlin bekannt gaben.

Danach soll der Beitragssatz zur Pflegeversicherung spätestens zum 1. Januar 2015 um 0,3 Prozentpunkte ansteigen, später um weiter 0,2 Punkte. Die erste Erhöhung wird rund drei Milliarden Euro einbringen, davon soll ein Drittel für einen Pflegevorsorgefonds verwendet werden. Bei dieser Rücklage handelt es sich um eine Forderung der Union. Zum Einsatz kommen soll das Geld allerdings erst ab 2030, wenn geburtenstarke Jahrgänge ins Pflegealter kommen. Dann gibt es wahrscheinlich eine Million pflegebedürftige Menschen mehr als heute. Nach Aussagen von Gesundheitspolitiker Spahn könne der Fonds von der Bundesbank verwaltet werden. Die SPD hatte den Kapitalstock angesichts jetzt sehr niedriger Zinsen bisher abgelehnt. Die zweite Erhöhung bis zum Ende der Legislaturperiode soll der Versorgung Demenzkranker dienen. Zur Zeit liegt der Pflegebeitragssatz bei 2,05 Prozent, für Kinderlose bei 2,3 Prozent.

Zusatzbeiträge bei der gesetzlichen Krankenversicherung soll es im Ergebnis der Gespräche auf Expertenebene nur einkommensabhängig geben. Allerdings müssen diese weiterhin allein von den Arbeitnehmern getragen werden. Die SPD konnte ihre Forderung nach einer wieder paritätischen Beteiligung der Arbeitgeber an den Gesundheitskosten nicht durchsetzen. Ihr Anteil wird somit auf 7,3 Prozent festgeschrieben, der allgemeine Beitragssatz soll von heute 15,5 Prozent auf 14,6 Prozent gesenkt werden.

Der zusätzliche Beitrag der Arbeitnehmer von 0,9 Prozent soll in die künftigen Zusatzbeiträge einfließen. Diesen Satz können die Kassen - als Anteil des beitragspflichtigen Einkommens - künftig je nach Bedarf senken oder anheben. Das gibt ihnen mehr Spielraum und könnte als Einstieg in den Ausstieg aus dem einheitlichen Beitragssatz verstanden werden. Gleichzeitig sind damit Prämienerstattungen finanzstarker Kassen an ihre Mitglieder in Zukunft ausgeschlossen. Diese Versicherungen können aber künftig die Monatsbeiträge senken. Die SPD hatte ursprünglich gefordert, dass die Kassen den Beitragssatz generell wieder selbst festlegen sollten.

Lauterbach nannte das Ergebnis trotz der Schonung der Arbeitgeberseite solidarisch und interpretierte es als Aus für die Kopfpauschale, gegen die sich auch LINKE und Grüne wandten. Er will seiner Partei nun empfehlen, beim Mitgliederentscheid für die Einigung zu stimmen. Gescheitert ist die SPD aber mit der Idee der Bürgerversicherung, die Selbstständige und Beamte einbeziehen sollte. Der Kompromiss wurde schon am Donnerstagabend mit den Parteispitzen abgestimmt. Im Falle einer Großen Koalition soll er 2014 als Bundesgesetz verabschiedet werden.

Keine Einigung gab es zur Zukunft der Privaten Krankenkassen. Weiterhin bestehen bleibt auch die staatliche Bezuschussung privater Zusatzversicherungen für die Pflege. Unklar ist außerdem, wie die Gesundheits- und Pflegepolitik gestaltet wird und ob die zusätzlichen Mittel etwa in der Pflege zunächst weiter in das vorhandene System fließen.

Verhandlungspartner von Union und SPD wollen am kommenden Dienstag in einer letzten großen Runde den Koalitionsvertrag aushandeln. Gibt es dann einen Abschluss, tagen am Mittwoch der SPD-Vorstand und die Fraktionen von Union und SPD. Die SPD muss dann entscheiden, ob sie den Koalitionsvertrag den rund 473 000 Mitgliedern zur Abstimmung vorlegt. Ist dies der Fall, sollen sie vom 6. bis 12. Dezember per Briefwahl abstimmen.

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