Mario Götze und das Streben nach Gerechtigkeit

Zur Debatte um Managergehälter

  • Jürgen Amendt
  • Lesedauer: 3 Min.

Als der Fußballspieler des FC Bayern München, Mario Götze, am Samstagnachmittag im Spiel seines Vereins bei Borussia Dortmund eingewechselt wurde, kam es zu einem gellenden Pfeifkonzert der Dortmunder Anhängerschaft. Götze hatte bis zum Ende der vergangenen Bundesliga-Saison im Dienste der Dortmunder Mannschaft gestanden und war dann zum FC Bayern München gewechselt. Für die Fans der Dortmunder Fußballspieler war Götze einer der Ihren, weil er von der Jugend an in den Farben »ihrer« Mannschaft spielte und dann ausgerechnet zum ungeliebten Liga-Krösus wechselte. Deshalb sind sie verärgert, empört.

Was in dieser Beschreibung fehlt, ist der Hinweis auf das Geld. Davon ist viel geflossen - in die Vereinskasse der Dortmunder wie auf das Konto des 21-jährigen Fußballspielers Götze. Doch für emotionale Aufregung taugen selbst die höchsten Geldsummen, die im Fußballgeschäft fließen, kaum noch. Würde man die Menschen in Deutschland danach fragen, ob die Top-Gehälter oder die Transfersummen im Fußball gedeckelt werden sollten, eine Mehrheit würde wahrscheinlich mit Nein antworten. Drei Viertel der Deutschen spricht sich allerdings dafür aus, dass die Gehälter von Managern beschnitten werden. Anlass der Umfrage des Marktforschungsinstituts GfK war die sogenannten 1:12-Initiative, über die in der Schweiz am Sonntag in einem Volksentscheid abgestimmt wurde und mit der eine gesetzliche Beschränkung von Managervergütungen auf das maximal Zwölffache des jeweils tiefste Lohns in einem Unternehmen angestrebt wird.

Nach Max Weber fußt charismatische Herrschaft darauf, dass zwischen dem Volk (den Charismagläubigen) und dem Herrscher (Charismaträger) eine emotionale Beziehung besteht, die der Herrschaft eine Legitimität verleiht, die nicht mehr rational begründet wird.

In diesem Sinne steht es um die Herrschaft der Manager schlecht. Die »hohe Zustimmung« zur Deckelung der Managergehälter zieht sich, so die Meinungsforscher, durch alle Bevölkerungsgruppen und sozialen Schichten. Nach den Politikern also, die in den Umfragen als ähnlich überbezahlt eingestuft werden, trifft es also auch die Elite der kapitalistischen Marktwirtschaft. In der Schweiz jedenfalls herrscht unter den Managern schon Endzeitstimmung. Wenn sich die Unternehmensführer künftig umgerechnet mit nur noch 450 000 bis 480 000 Euro im Jahr begnügen müssten, wäre damit »die Elite wirtschaftlich geköpft«, hieß es kurz vor dem Volksentscheid aus diesen Kreisen.

Die Herrschaft der Unterhaltungsindustrie aber kümmert das nicht. Egal, ob es um die Gehälter von Fußballern geht oder um die Millionensummen, die etwa in die Taschen eines Dieter Bohlen, Stefan Raab oder Günther Jauch fließen - sowohl deren Legitimität als auch die Legitimation der TV-Gehälter müssen sich keiner Begründung mehr stellen.

Die gängige linke Erklärung für dieses Phänomen läuft auf den Vorwurf hinaus, das Volk pflege eben ein falsches Bewusstsein. Doch ist dieses Bewusstsein so falsch nicht. Das Problem der Manager besteht darin: Sie haben ein abgeschlossenes, sozial wie gedanklich inzestuöses Kastensystem geschaffen. Dass Aufstieg durch Leistung und Talent möglich sein soll, wird durch dieses Kastensystem selbst als ideologischer Schein enthüllt. Die Möglichkeit des sozialen Aufstiegs aus der Mittelschicht in die Loge der Reichen und Berühmten ist dagegen heute im Betrieb der Massenkultur prinzipiell möglich. Das schafft Identifikation, Legitimation. Ein Fußballspieler wie Mario Götze bildet dafür ebenso die Blaupause wie der TV-Unterhalter Stefan Raab. Das Streben nach Gerechtigkeit verheißt eben weniger Glück als jenes nach Reichtum, zumal wenn dieses mit dem Charisma des Ruhms veredelt ist.

Einst war der Fußball eine proletarische Angelegenheit, in der Geldverdienen verpönt war, weil niemand Geld hatte. Einst war das Fernsehen eine bildungsbürgerliche Institution, gemacht von einer Kulturelite, für die Geld zweitrangig war, weil sie Geld hatte. Beide Sphären wurden kommerzialisiert, nachhaltig wurden sie damit auch demokratisiert.

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