nd-aktuell.de / 25.11.2013 / Kultur / Seite 16

Alles in Ordnung

Klobürsten für die Elbphilharmonie

Georg Kammerer

Letzte Woche meldeten die Zeitungen, dass bei der Planung der Hamburger Elbphilharmonie zwischenzeitlich erwogen worden war, die Aborte mit Klobürsten im Wert von knapp 300 Euro pro Stück auszustatten - bezahlt natürlich vom deutschen Spieß- und Wutbürger in seiner erregbarsten Erscheinungsform, namentlich der des Steuerzahlers.

Wo Kulturfördermittel für profane Haushaltswaren verschleudert werden - statt wie üblich für Intendantengehälter und die Unterhaltung des angeschlossen Verwaltungsapparats - hört freilich auch für den Bildungsbürger der Spaß auf, und so ermunterte Martin Zips in der »Süddeutschen Zeitung«, Rubrik »Stilkritik« - eine kognitive Kritikschwäche durch mangelnden Stil in der Sprache ausgleichend -, die mündigen Hanseaten, »aus Protest gegen weitere Kostenexplosionen« den »prassenden Planern« ihre dreckigen »Klowedel« ins Gesicht zu halten.

Ernsthaft aufregen jedoch kann die Bemusterung des »Millionengrabes« mit teuren Toilettenbürsten nur denjenigen, der noch ernsthaft glaubte, staatliche Kulturförderpolitik verfolge das Ziel, Kultur zu fördern, statt dieselbe vielmehr mittels musealer Vereinnahmung zum Mittel zur Affirmation der bestehenden Verhältnisse zuzurichten und Effekte wie Kritik, die den Name verdient, womöglich gar sinnlichen Genuss oder Erkenntnisgewinn höchstens als Kollateralschäden zu erlauben. In diesem Punkt unterscheidet sich eine von Machthabern und Steuerzahlern ausgehaltene Kulturbranche nur oberflächlich von einer am Markt orientierten.

Vernünftige Kulturpolitik im Sinne der Regierenden und derer, die ihre Macht erhalten (lies: der »mündigen Bürger«) hat vor allem so genannte »kulturelle Vielfalt« zu ermöglichen, und zur Vielfalt gehört neben der »kritischen Avantgarde«, die durch gelegentliche kleine bis mittelgroße Zuwendungen am prekären Leben gehalten werden kann, eben auch die Hochkultur, die, um als solche erkennbar zu sein, im passenden Ambiente präsentiert werden muss und dabei aber bitte auch für die gebildete Mittelschicht erschwinglich bleiben soll.

(Das Proletariat pfeift ohnehin weitgehend auf die staatlich verordnete Kultur und finanziert als Konsument von Werbung und Ware seine Kunst und Unterhaltung durch in der Masse konzentrierte Kaufkraft größtenteils selbstständig.)

Dank der Großzügigkeit der öffentlichen Hand wird in der Elbphilharmonie nicht nur der stinkreiche »Hamburger Pfeffersack«, sondern gelegentlich auch der Studienrat oder Kleinunternehmer ein Stück Hochkultur genießen dürfen und in der Pause die Rückstände seiner Exkremente mit einem dem Hochkulturgenuss angemessenen Qualitätswerkzeug entfernen, das, wie inzwischen bekannt wurde, nur genügsame vierzig Euro wert sein soll. Es ist alles in Ordnung, das System funktioniert.