Killerkommando für Wildschweine

Auf dem Parteitag der CSU ging es um Tiere, Soldaten und andere Nebensächlichkeiten

  • Rudolf Stumberger
  • Lesedauer: 4 Min.
Wenig überraschend wählten die Delegierten in München Horst Seehofer erneut zum CSU-Parteichef. Der bayrische Ministerpräsident erhielt 95,3 Prozent der Stimmen.

Die CSU sprach auf ihrem Parteitag in München mit gespaltener Zunge. Zum einen forderte Generalsekretär Alexander Dobrindt beim Länderfinanzausgleich »Fairness« ein - was bedeutet, dass die Wohlhabenden ihr Geld behalten wollen. Zum anderen sollen künftig Wildschweine mit Hilfe von Nachtsichtgeräten getötet werden. Das ist unfair, weil die Tiere selbst keine solchen Geräte haben. Daneben wurde Horst Seehofer auf dem Parteitag mit 95,3 Prozent der Stimmen als Parteichef wiedergewählt.

Wildschweine hingegen waren großes Thema: Die Bundestagsabgeordnete Marlene Mortler aus dem mittelfränkischen Roth hat beantragt, dass die im Jägerjargon so genannten Schwarzkittel künftig auch mit Nachtzielgeräten gejagt werden können, was bisher nach dem Waffengesetz verboten ist und nur im Ausnahmefall durch das Bundeskriminalamt genehmigt wird. Die Abgeordnete fordert also eine Art nächtlicher Killerkommandos im Einsatz gegen das gemeine Wildschwein. Das soll jetzt zur Chefsache erhoben werden: Die Antragskommission hat die Überweisung des Antrages an die CSU-Landesgruppe im Bundestag empfohlen.

Auch das Medaillenwesen war den Bayern ein Antrag wert: Die Junge Union Bayern wollte einen speziell weißblauen Kriegsorden für herausragende Tapferkeit bayerischer Soldaten im Felde schaffen. Der Grund: Die »traditionell besonders enge Verbindung zwischen dem Freistaat und den hier stationierten Soldaten sowie den bayerischen Landeskindern, welche außerhalb Bayerns ihre Heimatkaserne haben.« Für eine eigene bayerische Tapferkeitsmedaille scheint es aber noch zu früh, stellten sich doch damit »kaum lösbare verfassungsrechtliche Fragen«, so die Ablehnung durch die Antragskommission.

Von größerer Bedeutung, wenn auch wenig überraschend, war die Wiederwahl Horst Seehofers als Parteichef. Beachtliche 95,3 Prozent der Delegierten stimmten für den Ministerpräsidenten. Der steht nun als starker Mann der CSU allein auf weiter Flur. Auch einstige Widersacher, die der CSU regelmäßig auf die Füße traten, sind weitgehend von der Bühne verschwunden. So auch der Regisseur Herbert Achternbusch, der am Samstag 75 Jahre alt wurde. »Ich mach gar nix mehr«, sagte er. In den 1980er Jahren hatte Achternbusch den Film »Servus Bayern« gedreht, von dem der damalige CSU-Innenminister Gerold Tandler meinte, er sei »schlicht und ergreifend eine Sauerei«. Als Achternbusch in »Der Depp« den damaligen Ministerpräsidenten Franz-Josef Strauß im Hofbräuhaus vergiften ließ, war die Beziehung zwischen CSU und Achternbusch endgültig klar. Weil der jetzt aber »nix mehr macht«, und nun auch der Kabarettist Dieter Hildebrandt verstarb, ist der relevante kulturelle Widerstand der alten Garde in Bayern praktisch ausgelöscht.

Auch innerparteilich hat Seehofer alles in der Hand, etwa wenn er Peter Gauweiler als einen der vier stellvertretenden Parteivorsitzenden vorschlägt. Gauweiler machte sich als bayerische Staatssekretär bei der Verfolgung HIV-Infizierter einen Namen und profiliert sich heute vor allem in der Stimmungsmache gegen Europa. Das ist auch der Grund für seine Nominierung. Gauweiler, der mit lediglich 79,1 Prozent gewählt wurde, soll den Abwehrriegel gegen die Anti-Europa-Populisten von der AfD bilden, die am Stimmenkuchen der CSU nagen. Er tritt die Nachfolge von Ex-Justizministerin Beate Merk an, die sich nun als Europa-Ministerin um die »bayerische Außenpolitik« kümmert.

Seehofer selbst erinnerte die Delegierten mit dem Vorschlaghammer daran, wer nach der Wahlniederlage 2008 den Karren wieder aus dem Dreck gezogen hatte: Er. Die Partei habe am Boden gelegen, mit ihm habe sie einen Neuanfang gemacht. Es sei »ein goldener September« für die CSU gewesen, erinnert der Parteichef an die Wahlerfolge bei Bundestags- und Landtagswahl und er wolle die Partei in eine ebenso »goldene Zukunft« führen. Hinsichtlich der laufenden Koalitionsverhandlungen hatte Seehofer am Freitag bei der Gastrede von CDU-Chefin Angela Merkel von einer »tausendprozentigen« Übereinstimmung gesprochen, Merkel wiederum hatte ihre Zustimmung zur Ausländer-Pkw-Maut signalisiert, mit der allein Seehofer seinen Wahlkampf in Bayern geführt hatte. Wie sich die CSU einen Mindestlohn vorstellt, wenn er schon nicht zu verhindern sei, machte Seehofer ebenfalls deutlich: Als Mindestlohn im Schweizer-Käse-Format mit vielen Löchern. Denn: bei Saisonarbeitern oder Lehrlingen etwa soll er nicht gelten.

Ansonsten hieß es: »Der Mythos CSU lebt.« Jetzt sei wieder zusammengewachsen, was zusammengehört. Bayern sei gleich CSU. Und die Partei setze nur um, was der Bürger wolle. Dabei unterschlägt Seehofer völlig, dass die CSU in Bayern nur von einer Minderheit von 2,75 Millionen Wählern von insgesamt 9,44 Millionen Wahlberechtigten gewählt wurde. Was freilich für die parlamentarische Mehrheit im Landtag reicht.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal