Personalrochade abgeschlossen

Nach Ministerpräsident Platzecks Rücktritt kürt die SPD eine neue Generalsekretärin

Klara Geywitz erinnert sich, wie sie 1993 zur SPD kam, weil sie die »alte Truppe« von der PDS nicht mochte. Seit 2009 regiert in Brandenburg eine rot-rote Koalition. 2014 ist wieder Landtagswahl.

12.47 Uhr. Auch Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) und SPD-Fraktionschef Klaus Ness machen nun Mittagspause. Sie reihen sich aber nicht ein in die Schlange vor der Essensausgabe, sondern gehen vor die Tür des Potsdamer Seminaris Seehotels. Dort stecken sie sich Zigaretten in den Mund. Ness gibt dem Ministerpräsidenten Feuer und zündet sich selbst den Glimmstängel an. Einen Augenblick zuvor hat Woidke noch die Meyenburger Amtsdirektorin Katrin Lange umarmt und zur Wahl als neue stellvertretende SPD-Landesvorsitzende beglückwünscht. Rauch steigt auf.

Die Sozialdemokraten schlossen bei einem Parteitag am Sonnabend eine umfangreiche Personalrochade ab, die im Sommer durch den Rücktritt von Regierungschef Matthias Platzeck ausgelöst wurde. Woidke avancierte daraufhin zum Ministerpräsidenten und SPD-Landesvorsitzenden, Fraktionschef Ralf Holzschuher übernahm von ihm den Posten des Innenministers und Generalsekretär Klaus Ness leitet inzwischen die Landtagsfraktion.

Die bisherige stellvertretende Landesvorsitzende Klara Geywitz wurde zunächst kommissarisch Generalsekretärin. In diese Funktion wählten sie nun am Sonnabend die Delegierten. Als einzige Bewerberin erhielt Geywitz rund 84 Prozent der Stimmen. Den dadurch frei gewordenen Posten der Vizelandeschefin erhielt Katrin Lange. Sie gewann mit 81 zu 35 Stimmen eine Kampfabstimmung gegen Erik Stohn.

Die SPD könne es »packen«, bei den drei Wahlen im kommenden Jahr »drei starke Ergebnisse zu erzielen«, meinte Geywitz. Kommunalvertretungen und Europaparlament werden am 25. Mai gewählt, der Landtag am 14. September. »Die Wahlsiege zu organisieren, ist für mich eine gewaltige Herausforderung.« Die 37-Jährige erwähnte in ihrer Bewerbung, dass ein Wahlkampf sie 1993 dazu gebracht habe, sich politisch zu engagieren, in die SPD einzutreten. Es ging damals um den Potsdamer Oberbürgermeister. Rolf Kutzmutz (PDS) gelang es damals als roter Rolf beinahe, den Sozialdemokraten Horst Gramlich zu bezwingen. »Ich wollte nicht, dass meine Heimatstadt drei Jahre nach der friedlichen Revolution wieder an die alte Truppe fällt«, erinnert sich Geywitz. Muss man dergleichen als Signal für die Zukunft des rot-roten Brandenburgs werten? Immerhin gilt auch Dietmar Woidke als einer, der mit der CDU besser klarkommt, als sein Vorgänger Platzeck es die letzten Jahre getan hatte.

Aber alle Antworten auf diese Frage bleiben spekulativ. Die märkische SPD hat sich vor Wahlen immer alle Möglichkeiten offen gehalten. Sie möchte auch in die Landtagswahl 2014 ohne Koalitionsaussage gehen. Der am Sonnabend beschlossene Leitantrag wurde vorab als Beleg dafür gesehen, dass die SPD unter Woidke den Kurs Platzecks fortsetzt. Denn in dem Papier ist Platzecks Vorstellung vom vorsorgenden Sozialstaat noch einmal entwickelt. So lobt sich die SPD für das Schüler-BAföG von 100 Euro monatlich, das die rot-rote Koalition ab Klasse 11 Jugendlichen aus ärmeren Familien gewährt. Die Einführung dieser Unterstützung war eines der Lieblingsprojekte der SPD zur Landtagswahl 2009. Die CDU hält nichts davon.

Doch andererseits pocht die SPD in dem Leitantrag auch auf einen »Schulfrieden«. Das zweigliedrige Schulsystem mit Gymnasien und Oberschulen ab Klasse 7 soll nicht angetastet werden. Das ist eine Absage an die von den Sozialisten gewünschte Gemeinschaftsschule. Hier trifft sich die SPD mit der CDU.

Einen Antrag zur solidarischen Bürgerversicherung, in die auch Beamte, Selbstständige und Besserverdienende einzahlen müssten, überwies der SPD-Landesparteitag in den SPD-Landesausschuss. Dietmar Woidke hatte Geduld angeraten. Er hatte gefragt, was denn wäre, wenn die Delegierten den Antrag gleich beschließen, jedoch bei den Koalitionsverhandlungen mit der Union auf Bundesebene in dieser Frage etwas anderes herauskomme, als die SPD sich wünsche.

In der Bundesrepublik ist derzeit gerade wieder Bewegung in die gewohnten politischen Farbenspiele geraten. In Brandenburg harmonieren SPD und LINKE. Es raucht keineswegs zwischen den Koalitionspartnern, selbst wenn sie sich in Detailfragen, wie dem Ausstieg aus der Braunkohleverstromung, nicht einig sind. Trotzdem ist die Sicht auf die Zukunft mindestens leicht vernebelt.

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