nd-aktuell.de / 25.11.2013 / Montagmorgen / Seite 14

An der Gartenfront

Wolfgang Hübner

Sie rüsten auf, die Nachbarn. Offen, ungeniert, maßlos. Vor allem: ganz legal. Sie gehen in Spezialgeschäfte, zu Tarnungszwecken Bauhaus genannt oder Toom oder OBI oder Hellweg, die jedermann offenstehen, legen einen Haufen Geld auf den Tisch und nehmen irgendeine Höllenmaschine mit nach Hause.

In den Siedlungsgebieten am Berliner Stadtrand kann man besichtigen, wohin der Trend geht. Jede erdenkliche Tätigkeit, die im, am und rund ums Haus zu verrichten ist, wird motorbetrieben ausgeführt. Wo früher der Hausmann den Besen oder die Hausfrau die Harke nahm, kommen längst PS zum Einsatz. Mehrere. Und Dezibel. Muskelarbeit? So weit kommt's noch!

Es geht los mit dem Rasenmäher, dem niedrigschwelligsten Angebot der Gartenwaffenindustrie. Dann kommen der Rasentrimmer, der Hochdruckreiniger, der Laubbläser, der Häcksler, die elektrische Heckenschere, die Motorhacke, die Kreissäge, die Kettensäge, der Minischneepflug … Es sind nicht nur Helfer in Haus und Garten, nein. Es sind Statussymbole, Machtinstrumente, Männerspielzeuge. Je lauter, desto besser. Denn dann hören auch die Nachbarn hinter den blickdichten Koniferenwänden, wie viel Power in der eigenen Waffenkammer steckt. Die Sounddesigner der Hersteller geben ihr Bestes, um sattes Brummen, grelles Kreischen, bulliges Röhren, bedrohliches Dröhnen und sonstige Geräusche zu erzeugen, die man ansonsten eher von Action- und Katastrophenfilmen kennt.

Vor allem am Wochenende geht es zur Sache. Für Mieter einer Innenstadtwohnung wäre es eine interessante Erfahrung, am späten Sonnabendvormittag durch eine Vorstadtsiedlung zu schlendern. Dort tobt um diese Zeit die Formel 1 der Außenbordmotoren. Eine Parade der Hochtechnologie. Von einem motorisierten Gartengerät scheint eine ansteckende Wirkung auszugehen. Kaum ist das erste Rattern zu hören, antworten die Technikfanatiker aus den umliegenden Grundstücken. Wollen sie zeigen, dass sie locker mithalten können? Oder hurtig im Schutz des Nachbarlärms ihren Rasen kürzen?

Auch in Gegenden, in denen Flugzeuge sich erheben und herabsenken, ist das so. Wahrscheinlich entspannen sich nicht wenige wackere Fluglärmgegner von der letzten Demo beim zünftigen Rasentrimmen und Laubblasen. Der Nachbarskrach lässt sich hier immerhin leichter ertragen - schließlich hat man ja Geld für Lärmschutzfenster gekriegt.

Was kommt noch? Bald wird es hochgepimpte Sägen und tiefergelegte Vertikutierer geben. Die Drohnentechnik wird Einzug halten - ferngesteuerte fliegende Astsägen und Rosenscheren sind nur noch eine Frage der Zeit. Automatische Blumenpflücker, Akkuspaten - nichts ist unmöglich. Hauptsache, möglichst wenig körperliche Bewegung lässt sich mit möglichst viel akustischem Effekt verbinden.

Diesem Irrsinn kann nur noch die Staatengemeinschaft Einhalt gebieten. Deshalb fordern wir eine internationale Konvention zur Ächtung von Gartenmaschinen. Und eine UN-Kleinmaschinenabrüstungskonferenz. Das wird dauern. Bis es soweit ist, brauchen wir in den Vorstädten zur Sicherung von Ruhe und Gemütlichkeit eine UN-Blauhelmtruppe. Wenn nötig mit sehr robustem Mandat.