Endlich mal ordentlich ausschlafen

Velten Schäfer über das Ende von Sachsen-Anhalts Imagekampagne

  • Lesedauer: 2 Min.

Seit fast einem Jahrzehnt sehen sich Sachsen-Anhalter einer gewissen Häme ausgesetzt. So lange existiert der Slogan vom »Land der Frühaufsteher«. Kaum geht eine Grippe durchs Land, muss man seither mit Überschriften wie »Frühaufsteher öfter krank« leben. Gibt es Statistiken zum Körpergewicht, ätzt die Presse über »dicke Frühaufsteher«, die sich nur deshalb so früh erhöben, um »einen ausgiebigen Boxenstopp am Kühlschrank« einzulegen; andere denken an Alterungsphänomene und lästern über »senile Bettflucht«. Zudem konterte das reiche Baden-Württemberg 2011 mit dem Spruch, in Sachsen-Anhalt möge man früher aufstehen – doch »bei uns bleibt dafür niemand sitzen«.

Die Idee geht auf 2005 zurück. Man hatte herausgefunden, dass Sachsen-Anhalt um 6:39 Uhr aufstehe – Minuten früher als anderswo! Doch wurde dies umgehend unorthodox gedeutet: »Studipedia« etwa bietet gleich mehrere Erklärungen. Man stehe nur deshalb so früh auf, weil man »zum Arbeiten noch bis in den Westen fahren« müsse, »selbst die trainierteste Blase fünf Hasseröder nicht bis neun Uhr« zu halten vermöge oder man um diese Zeit noch auf die Straße könne, »ohne dass einem überall Nazis begegnen«.

Kein Wunder, dass der Vizeministerpräsident Jens Bullerjahn (SPD) die zackig-morgenfrische Kampagne schon vor drei Jahren am liebsten einstampfen wollte. Er soll auch persönlich genug davon gehabt haben, ständig grinsend auf seinen Wecker angesprochen zu werden. Selbst Regierungschef Reiner Haseloff (CDU) war zuletzt nicht der glühendste Verfechter. Bereits 2010 ließ auch er verlauten, der Slogan möge im »Binnenmarketing« funktionieren, werde bundesweit aber belächelt: »Gerade im Westen wirkt das abschreckend, die Leute dort wollen gerne mal vernünftig ausschlafen.«

Nun scheint es, als würde dieser Wunsch erfüllt: Laut »Mitteldeutscher Zeitung« wurde die Kampagne bislang komplett aus EU-Mitteln finanziert, die zum April 2014 auslaufen. Eigenes Geld wolle Magdeburg auch nicht zuschießen.

Somit stehen Aufräumarbeiten an. Was will man mit den zehn schicken Autobahntafeln anstellen, die bislang dem Durchreisenden das Blut in den Adern gefrieren ließen? Womit will Sachsen-Anhalt in Zukunft werben – wenn nicht mit ostklischeegemäß vergammelnden Hinweisschildern außer Diensten?

Im modernen Marketing gibt es die Faustregel: Von der Behauptung zur Praxis! Die Hersteller modischer Hallo-Wach-Brausen etwa sind längst davon abgekommen, Logos auf coole Sportler zu kleben; lieber erfindet man gleich die ganze »Sportart«. Ähnlich könnte es auch Sachsen-Anhalt machen. Statt nur damit anzugeben, wie aufgeweckt man sei, ließe sich etwa die Internetseite zum »Bürgerservice« aktualisieren. Dort wird treuherzig über »Wehr-« und »Wehrersatzdienst« informiert. Dabei ist die Wehrpflicht schon eine Weile außer Kraft.

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