Urlaub mit netten NSU-Nazis

Für eine Reisebekanntschaft waren die drei jungen Leute aus Zwickau »freundlich und hilfsbereit«

  • René Heilig, München
  • Lesedauer: 2 Min.
Beim Prozess gegen mutmaßliche Mitglieder und Unterstützer des NSU versuchte man abermals, tiefer in den Alltag der rechten Terroristen einzudringen. Mit mäßigem Erfolg.

»Wir waren geschockt, wie wenig wir von den Dreien wussten.« Natürlich haben er, seine Frau und die beiden Kinder versucht, sich zu erinnern, was sie von »Max« (Uwe Mundlos), »Gerry« (Uwe Böhnhardt) und »Liese« (Beate Zschäpe) bei den gemeinsam verlebten Urlauben erfahren haben. Doch über Privates oder Berufliches sei kaum gesprochen worden, berichtete der Zeuge Christian M. beim 60. Prozesstag gegen den NSU vor dem Münchner Oberlandesgericht. »Gerry« habe wohl für einen Verwandten Autos überführt, »Max«, Sohn eines bedeutenden DDR-Informatikprofessors, war ein Computerfreak. Über »Liese« wusste er noch weniger zu berichten. Erst später erfuhr Christian M., dass Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe zehn Menschen ermordet haben sollen.

Das erste Mal seien seine Familie und die Drei sich auf dem Campingplatz der Ostseeinsel Fehmarn im Sommer 2007 begegnet. Dann »bis zum Ende 2011« jedes Jahr wieder. Jeweils zwei, manchmal drei Wochen habe man zusammen verlebt. Das Trio war vier oder fünf Wochen auf dem Platz. Obgleich pro Tag 110 bis 120 Euro zu entrichten waren.

Man grillte zusammen. Zudem habe er »Max« beim Surfen seine Erfahrungen vermittelt. Auf einem Laptop wurde »Wer wird Millionär?« gespielt. »Manchmal sind wir zusammen essen gegangen.« Er habe sich für den Alltag in der DDR interessiert. Vor allem »Max« und »Liese« seien redselig gewesen. »Gerry« dagegen wirkte stiller. Die drei Freunde, die sich - wie sie sagten - schon seit der gemeinsamen Schulzeit kannten, waren »sehr nett, freundlich, hilfsbereit«. Man habe sich »sehr gut verstanden«. So gut, dass die Urlaubsnachbarn nach den Ferien sogar einmal Original-Thüringer-Würstchen geschickt hätten. Das Paket hatte keinen Absender. Man sei ohnehin davon ausgegangen, dass die Bekannten aus Zwickau nicht in einer gemeinsamen Wohnung lebten.

Davon gehen aber die Ermittler - zumindest öffentlich - aus. Und daher wurde am Dienstag in München vor den Urlaubsbekannten der für das Haus in der Zwickauer Frühlingsstraße 26 verantwortliche Hausmeister befragt. Er heißt Krause und entsprach im Wesentlichen dem schlichten »Hausmeister Krause« aus einer TV-Blödel-Serie. Wesentliches hatte er nicht beizutragen. Nur dass die »Dienelt-Maus« - damit meinte er Zschäpe, die unter dem Namen eines bekannten Neonazis in dem Haus wohnte - ab und an in den Feierabendbier-Keller gekommen sei, wenn die beiden Uwes unterwegs waren. Dass im Kellertreffpunkt ein Hitler-Bild gestanden habe, stimme. Aber nur als eine Erinnerung an seinen verstorbenen Bruder. Das Bild sei das Einzige gewesen, was aus dessen Wohnung »zu verwerten gewesen ist«.

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