Die betörende Macht der Farben

Von Vorurteilen, falschen Hoffnungen und einer starken Frau

  • Lesedauer: 4 Min.

Sie wurde in Berlin als jüngstes von vier Kindern eines Kaufmanns geboren, der zuvor mehrere Jahre in den USA gelebt hatte. Als sie ein Jahr alt war, zog die Familie ins westfälische Herford und dann nach Koblenz, wo ihr Vater starb. Gemeinsam mit zwei Geschwistern wuchs sie fortan bei ihrer Mutter auf, die sich allerdings wenig um die Erziehung ihrer Kinder kümmerte.

Nur eines bemerkte die Mutter früh, nämlich dass ihre jüngste Tochter künstlerisch begabt war. Diese durfte daher mit 20 Jahren die private Damenkunstschule in Düsseldorf besuchen, denn an staatlichen Akademien waren Frauen seinerzeit nicht zugelassen. Doch schon wenige Monate später, nach dem Tod ihrer Mutter, brach sie ihre Ausbildung ab. Mit dem Geld, das sie von ihren Eltern geerbt hatte, fuhr sie nach Amerika, um Verwandte zu besuchen. Anschließend reiste sie zwei Jahre lang durch verschiedene Bundesstaaten der USA.

Nach ihrer Rückkehr ließ sie sich in München nieder und setzte ihr Studium an der Malschule des Künstlerinnen-Vereins fort. Außerdem belegte sie Kurse an einer neu gegründeten Kunstschule, wo einer ihrer Lehrer alsbald ihr Geliebter wurde. Obwohl dieser noch verheiratet war, verlobten sich beide heimlich. »Es hängt sehr viel ab von Dir«, teilte er ihr in einem Brief mit: »Du kannst nicht alles, aber nur durch Dich kann ich zu wirklich Großem kommen.« Später lebte sie mit ihrem Geliebten, der sich noch immer nicht hatte scheiden lassen, offen zusammen, was für eine Frau zur damaligen Zeit zweifellos ein ungewöhnlicher und mutiger Entschluss war.

Das Paar reiste viel, so etwa nach Tunesien, an die Riviera, in die Niederlande. Es war jedoch ein längerer Aufenthalt in Paris, der die von uns Gesuchte nachhaltig inspirierte. Während dieser Zeit entstand etwa ein Viertel ihres grafischen Werkes, wobei ihr besonderes Interesse den Holz- und Linolschnitten galt.

Nach Deutschland zurückgekehrt, kaufte sie sich ein Haus in Oberbayern, in dem sie die Sommermonate verbrachte - zusammen mit ihrem Geliebten, der sich wenig später tatsächlich scheiden ließ. In der ländlichen Idylle entwickelte sie ihre eigene expressive Malweise. Leuchtende, unvermischt nebeneinander gesetzte Farben waren dafür ebenso kennzeichnend wie der Verzicht auf gegenständliche Details. In München, wo sie ebenfalls eine Wohnung hatte, wurde sie Mitglied einer Künstlervereinigung und war auch an deren Ausstellungen mit eigenen Werken beteiligt. Gleichwohl fiel es ihr schwer, sich als selbstständige Künstlerin zu profilieren. Sie sei in vieler Augen nur die Beigabe eines anderen, klagte sie: »Dass eine Frau ein ursprüngliches, echtes Talent haben und ein schöpferischer Mensch sein kann, das wird gern vergessen.«

Als der Erste Weltkrieg ausbrach, flüchtete sie mit ihrem Geliebten in die Schweiz. Hier trennte sich das Paar - für immer. Während er in seine alte Heimat weiterreiste und dort ein zweites Mal heiratete, führte ihr Weg nach Skandinavien. Das Ende ihrer Beziehung machte ihr schwer zu schaffen und beeinflusste auch ihre künstlerische Arbeit, die sie vorübergehend sogar ganz einstellte.

Um sich von quälenden Erinnerungen zu befreien, lebte sie für einige Jahre in Berlin. Während dieser Zeit lernte sie einen Kunsthistoriker kennen, der ihr zweiter Lebensgefährte wurde. Nach einem erneuten Aufenthalt in Paris kehrte sie voller Elan in ihr Sommerhaus zurück. Sie malte hier vor allem Blumenstillleben und fertigte abstrakte Studien in Öl an, die zunächst weithin unbekannt blieben. Denn in der Nazizeit hatte sie Ausstellungsverbot. Erst nach Ende des Krieges konnte sie sich wieder mit eigenen Bildern der Öffentlichkeit präsentieren, was sie zugleich als späte Genugtuung empfand. Sie starb mit 85 Jahren in ihrer oberbayerischen Wahlheimat. Wer war’s?

Für drei Gewinner dieser Folge stellt der Aufbau-Verlag den Band »Wie haben wir gelacht. Ansichten zweier Clowns« von Dieter Hildebrandt und Peter Ensikat zur Verfügung.
Einsendeschluss: 18. Dezember

Die Lösung:
Der Mediziner, nach dem wir letztes Mal fragten, war: Robert Koch.
Gewonnen haben:
Annerose Kranz, Berlin; Thomas Glanz, Zeitz; Georg Krecklow, Tarthun. Die Gewinner sind mit der Veröffentlichung einverstanden.

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