nd-aktuell.de / 30.11.2013 / Politik / Seite 19

Mit Wespen gegen die Maniok-Läuse

Landwirtschaft braucht keine giftigen Chemikalien - das hat Hans Rudolf Herren eindrucksvoll bewiesen. Von Anna Birkenmeier

Anna Birkenmeier

Hans Rudolf Herren ist im Umgang mit der Natur aufgewachsen, auf einer Tabakplantage im südschweizerischen Kanton Wallis, auf der sein Vater Verwalter war. »Obwohl ich schon immer eine Neigung für die Natur hatte, ist das Interesse für Insekten und deren Bekämpfung erst später gekommen«, sagt der 1947 geborene Herren.

Nach einem Landwirtschaftsstudium studierte Herren an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich Agronomie. »Hier ist auch mein Interesse für Pflanzen, Tiere und humane Gesundheit gewachsen, weshalb ich meinen Studienschwerpunkt auf Pflanzenschutz und biologische Schädlingskontrolle gelegt hatte.« Bereits während des Studiums entschied Herren, sich Umweltproblemen zu widmen, insbesondere jenen, die von der Landwirtschaft selbst verursacht werden. »Ich wollte nachhaltige Lösungen entwickeln, und mir war schon damals klar, dass ich meine berufliche Zukunft in der Pflanzenindustrie nicht in der Schweiz finden werde.«

Dass es aber ausgerechnet Afrika werden würde, war Zufall - oder Glück, wie Herren es bezeichnet. »Ich hatte mich auf eine Stellenanzeige am International Institute of Tropical Agriculture in Nigeria beworben und den Job bekommen.« Hier entwickelte er in der Folge biologische Schädlingsbekämpfungsprogramme - zur Bekämpfung der Maniokschmierlaus. Maniok ist das Hauptnahrungsmittel von 200 Millionen Afrikanern. Als in den 70er Jahren ein eingeschleppter Schädling - die Schmierlaus - anfing, Afrikas Maniokernten zu vernichten, fing man an, hochgiftige Chemikalien auf den Feldern einzusetzen.

Der entscheidende Durchbruch im Kampf gegen die Laus gelang Herren, als er in Paraguay eine Wespenart entdeckte, die als Parasit Schmierläuse befällt und tötet. Nachdem der Forscher sicher war, dass die absichtliche Verbreitung dieses natürlichen Feindes der Maniokschädlinge für die Umwelt kein noch größeres Risiko darstellen würde als die Läuse, wurde die größte Freisetzungskampagne aller Zeiten gestartet: 1,6 Millionen Wespen wurden in 24 Staaten von Angola bis Senegal zwischen 1982 bis 1993 auf die Schmierläuse losgelassen. Von Flugzeugen aus wurden die Wespen über den Feldern verbreitet. »Heute hat sich ein biologisches Gleichgewicht zwischen den Schmierläusen und ihren natürlichen Feinden eingestellt. Niemand spricht heute mehr von einem Schmierlausproblem.«

15 Jahre verbrachte Hans Rudolf Herrn in Afrika. »Während dieser Zeit wurde mir immer wieder vor Augen geführt, dass nachhaltige soziale und ökonomische Resultate erreicht werden können, wenn man mit der Natur zusammenarbeitet.« Diese Erkenntnis wurde denn auch zum Leitmotiv seiner weiteren Arbeit sowie der Gründung der Stiftung Biovision. Mit Biovision fördert er noch immer die biologische Schädlingsbekämpfung und ökologische Landwirtschaft in Entwicklungsländern Afrikas. »Die Bauern erzielen heute mit weniger giftigen Methoden sogar höhere Erträge - ein wichtiger Schritt im Kampf gegen Hunger und Armut.«

Ein aktuelles Projekt, das Herren mit dem Millennium Institute und der Stiftung Biovision verfolgt, heißt »Kurswechsel Landwirtschaft«. »Mit diesem Projekt möchten wir demonstrieren, dass sich die Welt nachhaltig ernähren kann - auch 2050, wenn die Weltpopulation wohl neun Milliarden Menschen zählen wird.« Es gehe darum, eine nachhaltige Landwirtschaft nach den Prinzipien des Biolandbaus einzuführen. Eine Landwirtschaft also, die genügend gesunde Nahrung für alle produziert und auch klimafreundlich ist. »Es ist höchste Zeit, dass unsere Erkenntnisse umgesetzt werden und dass ein Umdenken bei den Konsumenten stattfindet - kein einfaches Unterfangen«, sagt Herren.

Der Alternative Nobelpreis sei für ihn eine Krönung und Anerkennung seiner Vision und Arbeit. »Wir haben viel Arbeit vor uns, und es ist an der Zeit, dass auf allen Ebenen, lokal, national, regional und global Resultate geliefert werden. Dafür ist das erneute Interesse, das mit dem Alternativen Nobelpreis erweckt wird, sehr willkommen.« Das Preisgeld wird direkt in den »Kurswechsel Landwirtschaft« investiert.