nd-aktuell.de / 30.11.2013 / / Seite 25

Die Geburt der Doppelstadt

Kalenderblatt

Norbert Podewin

Seit Frühsommer 1948 fühlten sich die Berliner zunehmend unter politischem Dauerbeschuss. Am 18. Juni kündigten die Westalliierten eine separate Währungsreform an. Als die UdSSR ihrerseits in der SBZ und Berlin gleichzog, wurde in den Westsektoren die westliche D-Mark eingeführt. Drei Monate zuvor, am 20. März, hatte man im Alliierten Kontrollrat den Sowjets Auskünfte über die Separatstaatslösung verweigert; es war die letzte Sitzung der vier Oberbefehlshaber.

Vor dem Neuen Stadthaus fanden Massendemonstrationen statt, um den (noch) Allparteienmagistrat zu Beschlüssen über ein einheitliches Berlin zu drängen. Und obwohl die SPD bei den Wahlen am 20. Oktober als Sieger hervorging (48,7 Prozent; SED 19,8 Prozent), endete nach 133 Tagen die Amtszeit ihres Oberbürgermeisters Dr. Otto Ostrowski. Seine Genossen verübelten ihm interne Gespräche mit der SED zwecks sektorenübergreifender Aktionen zur Linderung der Alltagsnöte in Berlin. Kommissarisch amtierte nun Louise Schroeder (SPD).

Gegen die Einbindung der Westsektoren Berlins in den geplanten westdeutschen Separatstaat reagierten die Sowjets mit Sperrung der Verbindungswege nach Westen, worauf die Westalliierten mit der Luftbrücke antworteten. Derweil wurden Magistratsämter klammheimlich nach Westberlin verlegt. Die Bevölkerung war allseitig ratlos: »Wo erledige ich was?«.

Wilhelm Pieck, paritätischer SED-Vorsitzender, wurde nun persönlich aktiv: Ein neuer Magistrat für den Ostteil musste her, mit einem Stadtoberhaupt persönlicher wie fachlicher Kompetenz. Am 28. November 1948 lud er Friedrich Ebert, Landtagspräsident in Brandenburg, zum persönlichen Gespräch nach Berlin. Der durch die NS-Folterhölle Oranienburg gegangene Sozialdemokrat, überzeugter Verfechter der Einheitspartei, erbat Bedenkzeit. Er erhielt sie - mit Zusatz: »Aber noch heute!«. Nach mehrstündigem Rundgang durch die Alex-Trümmerlandschaft sagte Ebert zu.

Am 30. November 1948 trat eine Außerordentliche Stadtverordnetenversammlung im Admiralspalast zusammen. Ein neuer Magistrat für Ostberlin mit Ebert an der Spitze wurde gewählt. Der Oberbürgermeister erhob die Behebung des Notstandes zum obersten Programmpunkt. Zehntausende Berliner hatten sich zeitgleich Unter den Linden versammelt und bejubelten den von Pieck und Ebert verkündeten Entscheid. Dies war die Geburt einer Doppelstadt. Artikel 2 der DDR-Verfassung besagte: »Die Hauptstadt der Republik ist Berlin«. Konträr beschrieb die Verfassung aus dem Schöneberger Rathaus: »Berlin ist ein Land der Bundesrepublik Deutschland«.

Die Luftbrücke endete am 12. Mai 1949, vorausgegangen waren Geheimverhandlungen zwischen der USA und der UdSSR.

Norbert Podewin