Wir reißen nieder und bauen auf

Mit einer zweiten Zukunftskonferenz will Hohenschönhausen seinen 30. begehen

  • Stephan Fischer
  • Lesedauer: 3 Min.
Bürgerschaftliches Engagement und der Blick nach vorn sind bei der zweiten Zukunftskonferenz in Hohenschönhausen gefragt. Aber sind Diskussionen ohne den Blick in die Vergangenheit sinnvoll?

Wer sich nicht zu Wort meldet, der wird auch nicht gehört. Mit diesem Argument wird vielerorts für Bürgerbeteiligung und Engagement geworben. So auch zum Auftakt der Zukunftskonferenz »30 Jahre Hohenschönhausen - Neue Herausforderungen in Neu-Hohenschönhausen-Nord« in der Kirche in Wartenberg. Rund 100 Teilnehmer kamen zum Auftakt am Donnerstagabend, viele davon Abgeordnete der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Lichtenberg und Mitglieder des Abgeordnetenhauses. Die Jubiläen um den 30-jährigen Geburtstag des alten Bezirks Hohenschönhausen stehen an, Herausforderungen stellen sich viele: Hohenschönhausen wächst nach Jahren des Bevölkerungsschwunds wieder, es gibt fast keinen Leerstand mehr. Von 10 000 Wohnungen der HOWOGE in Neu-Hohenschönhausen stehen im Moment gerade einmal 80 leer, sagt Claudia Lass, Leiterin des Kundenzentrums Warnitzer Bogen.

Viele Familien mit Kindern ziehen in die »Schlafstadt«, wie die Gegend um den Prerower Platz an diesem Abend öfter genannt wird. Nicht weil es hier so schön oder das kulturelle Angebot so groß ist, sondern schlicht des Geldes wegen, wie auch Hannah Buhne, eine Studentin mit kleinem Sohn, bestätigt: Andere Bezirke sind noch teurer, obwohl auch in Lichtenberg-Hohenschönhausen die Quadratmeterpreise heute bei Neuvermietungen im Durchschnitt bei 6,50 Euro liegen. Für die steigenden Kinderzahlen müssen neue Kitas und Schulen gebaut werden. Bis in die 90er-Jahre waren genug Gebäude vorhanden. Sie wurden im Rahmen des »Stadtumbau Ost« abgerissen.

Und das bringt Ulrich Löffler, Sprecher des Kiezaktivs Neu-Wartenberg, in Rage: »In den Gebietsbeiräten hatten wir als Bürger damals ersucht, diese Gebäude nicht abzureißen. Der Einfluss dieser Bürgerbeteiligung war gleich Null, es wurde alles abgerissen. Und jetzt müssen diese Gebäude wieder teuer neu gebaut werden!« Eine direkte Kritik am damaligen Baustadtrat Andreas Geisel (SPD), heute Bezirksbürgermeister, der auch zu dieser Konferenz eingeladen hat. Deren Moderator versucht, die Diskussion, »in die Zukunft« zu lenken, es bringe doch nichts, über Fehler und Enttäuschungen der Vergangenheit zu reden. Aber auch Diskussionen um aktuelle Probleme an konkreten Standorten in Neu-Hohenschönhausen laufen meist ins Leere.

Wie die zum Bauvorhaben auf einer Parkplatzbrache an der Wartenberberger Straße. Der Liegenschaftsfond hatte das Areal an einen Investor verkauft, der plant dort großflächigen Einzelhandel. Die Zählgemeinschaft aus SPD, CDU und Bündnis 90/Grüne in der BVV hatte Anfang des Jahres beschlossen, das Bebauungsplanverfahren einzuleiten. Bürger hatten zuvor einen Einwohnerantrag mit über 1000 Unterschriften eingereicht, in dem sie forderten, keinen großflächigen Einzelhandel zuzulassen. Dieser wurde allerdings erst nach der Entscheidung zum Bebauungsplan behandelt. »Wenn Grundstücke erst einmal verkauft sind, können Sie als BVV oder als Bürger mit dem Investor vielleicht noch über die Farbe der Fassade verhandeln. Ansonsten haben Sie auf die Nutzung keinen Einfluss mehr.« Peter Fischer (LINKE), Geschäftsführer der BVV-Fraktion, verweist auf das grundlegende Problem der Liegenschaftspolitik des Senats. Aber genau die Flächen, die nicht mehr in öffentlicher Hand sind, produzieren an diesem Abend den größten Diskussionsbedarf.

2009 gab es schon einmal eine Zukunftswerkstatt mit dem Titel »Mein Hohenschönhausen«. Die meisten Arbeitsgruppen, die sich nach dem Auftakt gebildet hatten, schliefen nach und nach ein. Zu Wort gemeldet hatten sich die Bürger zumindest.

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