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Unverkrampfte Begegnung

»Jazz at Berlin Philharmonic« - ein Quartett um Nils Landgren spielte gemeinsam mit Orchestermusikern

  • Rainer Balcerowiak
  • Lesedauer: 2 Min.

An Selbstbewusstsein mangelt es den Veranstaltern der Konzertreihe »Jazz at Berlin Philharmonic« nicht. Die Stiftung Berliner Philharmoniker und das Jazz-Label ACT sehen sich in der Tradition des legendären Schallplattenproduzenten Norman Granz, der 1944 damit begann, die im offiziellen Kulturbetrieb verpönte »Negermusik« in Konzerthallen, zunächst in den USA und dann auch in Europa, aufzuführen. Außerdem begreift sich ACT als Vorreiter eines emanzipierten europäischen Jazz, der sich aus eigenständigen Wurzeln speist und die Beschränkung auf afro-amerikanische Wurzeln längst hinter sich gelassen hat.

Das Konzept scheint zu funktionieren, die nunmehr dritte Veranstaltung im Kammermusiksaal der Berliner Philharmonie war restlos ausverkauft, und schon denkt ACT-Impressario Siggi Loch über einen Umzug in das große Haus nach.

Doch es dauerte einige Zeit, bis sich der Konzertabend den hohen Ansprüchen annäherte. Die instrumentalen Fähigkeiten des erst 26-jährigen, aus Armenien stammenden Pianisten Tigran Hamasyan sind unbestritten, doch seine Kompositionen wirken recht substanzlos, worüber auch einige kunstvolle vokale Lautmalereien nicht hinwegtäuschen konnten. Das änderte sich, als mit dem dänischen Bassisten Lars Danielsson und dem deutschen Schlagzeuger Wolfgang Haffner zwei mit allen Jazz-Wassern gewaschen Haudegen dazustießen, die Wärme, Erde und vor allem Groove beisteuerten.

Mit Nils Landgren, dem Dreh- und Angelpunkt der ACT-Familie, wurde dann noch eine Schippe draufgelegt. Der mittlerweile legendäre schwedische Jazz- und Funk-Posaunist und Entertainer steuerte das Quartett souverän durch die bekannte Mischung aus Folklore-inspirierten Balladen und rhythmischen Knalleffekten.

Höhepunkt des Abends waren aber die Stücke, die gemeinsam mit zwölf Mitgliedern der Berliner Philharmoniker geboten wurden. Es ist nicht alltäglich, dass sich Elite-Klassiker derartig souverän in Jazzgefilden bewegen: Präzise Bläsersätze, eine fast schon rockige Rhythmusgruppe und von erkennbarer Spielfreude geprägte Soli, vor allem von Martin Stegner an der Viola. Dergestalt unverkrampften Begegnungen zwischen gestandenen Jazzern und Klassikern möchte man öfter beiwohnen.

Die im Programmheft fast schon zum Kulturkampf stilisierte Abkoppelung von den afro-amerikanischen Wurzeln des Jazz spielte dabei allerdings keine Rolle, denn besonders überzeugend gelang diese Fusion bei Arrangements von Songs der Klassiker Herbie Hancock, Joe Sample und Kenny Dorham. Der hohen musikalischen Qualität und dem Riesenspaß, den dieses Konzert trotz des eher zwiespältigen Beginns machte, tat dies jedoch keinen Abbruch.

Die Reihe »Jazz at Berlin Philharmonic« wird im März 2014 fortgesetzt.

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