Ex oriente njet

Beim Ostpartner-Gipfel erhielt die EU Absagen

  • Hannes Hofbauer, Wien
  • Lesedauer: 3 Min.
Erstmals seit dem Zusammenbruch von RGW und Sowjetunion schallte der EU an diesem Wochenende auf ein Integrationsangebot ein klares Njet aus dem Osten entgegen.

Die Ukraine will die Brüsseler Vorgaben nicht umsetzen. Von sechs eingeladenen »Ostpartnern« unterzeichneten nur Moldau und Georgien ein Assoziationsabkommen. Gegründet wurde die EU-Ostpartnerschaft auf Betreiben der damaligen polnischen und schwedischen Außenminister Radoslaw Sikorski und Carl Bildt im Jahre 2009. Sie ist für sechs ex-sowjetische Republiken ausgeschrieben: Moldau, Georgien, Armenien, Aserbaidshan, Belarus und Ukraine. Ein Budget von 600 Millionen Euro bis Ende 2013 bedient neben technischen Ausgaben hauptsächlich den ideologischen Überbau des EU-Erweiterungsprojektes.

Im Wesentlichen geht es um die Durchsetzung der vier kapitalistischen Freiheiten in den internationalen Beziehungen: freier Verkehr von Waren, Kapital, Dienstleistungen und - quotiert - Arbeitskraft. Die Ostpartnerschaft stellt den multilateralen Rahmen, der dann in bilaterale Assoziierungsabkommen münden soll. Solche sind im litauischen Vilnius nur von Moldau und Georgien unterzeichnet worden. Dass die EU damit ausgerechnet jene zwei Länder an die Kandare genommen hat, die nicht einmal territorial gefestigt sind und mit Transnistrien (für Moldau) sowie Südossetien und Abchasien (für Georgien) abtrünnige Provinzen aufweisen, mag Brüssel noch so manches Problem bereiten.

Belarus und Aserbaidshan erfüllten die Vorgaben aus Brüssel nicht, zumal Minsk gemeinsam mit Russland und Kasachstan Teil der von Moskau geführten Zollunion ist, die als Gegenprojekt zur EU-Assoziierung gedacht ist. Armenien wiederum ließ schon vor Monaten wissen, dass es sich ebenfalls dieser Zollunion anschließen wolle, was Missfallen in Brüssel erregt.

Und die Ukraine erkannte 10 Tage vor dem Gipfel in Vilnius, dass sie - wie ihr Ministerpräsident Nikolai Asarow es ausdrückte - ihre »nationalen Sicherheitsinteressen wahren« müsse und Wirtschaftsbeziehungen »auf Augenhöhe« benötige. Beides war mit dem bereits ausverhandelten Vertrag offensichtlich nicht zu haben. Die von Brüssel angestrebte Militärkooperation würde nicht nur in Sewastopol, wo die russische Marine stationiert ist, geopolitische Sprengkraft entfalten. Und in wirtschaftlicher Hinsicht erklärt ein Blick auf die Außenhandelsstruktur das ukrainische Njet. Die Exporte in die EU beschränken sich nämlich hauptsächlich auf Rohstoffe wie Kohle und Stahl, während in Richtung Russland Maschinen und Lebensmittel geliefert werden. Ukrainische Industrieprodukte sind am EU-Markt nicht konkurrenzfähig, weshalb das EU-Versprechen auf Markterweiterung ein einseitiges ist. Profitieren würden nur Westfirmen, die sowohl einen großen Absatzmarkt als auch den ukrainischen Arbeitsmarkt, auf dem der durchschnittliche Monatslohn knapp 300 Euro brutto beträgt, nützen könnten. Der eigentliche Grund, warum Kiew dem Druck Moskaus nachgeben hat, liegt allerdings im Energiebereich. Während das Zollunions-Mitglied Belarus für 1000 Kubikmeter sibirisches Gas 169 Dollar bezahlt, berechnet der russische Monopolist Gazprom der Ukraine aktuell 420 Dollar. Moskau hatte damit schlicht die härteren ökonomischen Argumente auf seiner Seite. Präsident Viktor Janukowitsch hat übrigens in Vilnius der EU seinen Preis genannt. Er will von Brüssel 160 Milliarden Euro für den Fall, dass er doch noch unterschreiben sollte - und zwar als Kompensation für zu erwartende Ausfälle im Ostgeschäft.

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