nd-aktuell.de / 03.12.2013 / Kultur / Seite 17

Dienstbare Geister, Weltkulturerbe

Amazon-Drohnen und Deutsche Autobahnen

Jürgen Amendt

Alles, was sich der menschliche Geist ausdenken kann, wird Realität. Auf das Genre der Science-Fiction übertragen, bedeutet dies: Alles, was sich Autoren über die Zukunft ausdenken, wird irgendwann Wirklichkeit. Wer sich etwa die in den späten 1980ern und frühen 1990ern produzierten Folgen der Si-Fi-Serie »Raumschiff Enterprise - Das nächste Jahrhundert« heute anschaut, dem werden technische Geräte wie beispielsweise der Tablet-PC auffallen. Der Unterschied zur Wirklichkeit ist lediglich der: Die Macher des »Star-Trek-Universums« verlegten die Erfindungen des Tablet-PC einige Jahrhunderte in die Zukunft.

In einigen »Star-Trek«-Geschichten werden die Figuren der Serie immer wieder mit Welten konfrontiert, auf denen automatische Flugmaschinen zum Alltag gehören. Diese sind den Bewohnern meist auf zweierlei Weise dienstbar: als Service-Gerät, das Dienstleistungen aller Art erledigt und somit das Leben der Bewohner angenehmer macht, sowie als Überwachungs- und Kontrolleinheit für die Herrschenden des betreffenden Planeten. In ihrer schlimmsten Ausprägung dienen die fliegenden Roboter dem Militär als Tötungsmaschinen.

Alles, was der menschliche Geist je entdeckte und entwickelte, hat einen doppelgesichtigen Charakter: das Schwarzpulver, die Spaltung des Atoms, die Autobahn, der Computer, das Internet. Ja, selbst die Schrift lässt sich zu Zwecken der Aufklärung wie der Propaganda und Verführung gleichermaßen ge- wie missbrauchen.

Die automatischen Flugmaschinen, die der Internethändler Amazon künftig zur Zustellung von bestellter Ware einsetzen will, stellen da keine Ausnahme dar. Wie das Internet, der Computer, die Autobahn, das Schwarzpulver oder die Atomspaltung sind Flugdrohnen eine Erfindung des Militärs. Und das ist vielleicht die verstörendste Erkenntnis: dass der Wille zur Zerstörung menschlicher Existenz die Gattung Mensch in ihrer Entwicklung schon immer vorangetrieben hat. Bezüglich der Autobahn gilt das sogar im wörtlichen Sinne.

Obwohl: Man sollte auch hier skeptisch bleiben. Wer weiß, ob der Einsatz der Amazon-Drohnen wirklich ein Fortschritt ist. Am Ende werfen die kleinen Flugmaschinen doch nur eine Karte mit der Nachricht »Ersatzzustellung« vor der Haustüre ab und man muss sich sein Päckchen weiterhin beim Friseur um die Ecke selbst abholen. Denn auch das ist eine richtige Erkenntnis: Alles, was sich der menschliche Geist je ausgedacht hat, blieb stets unvollkommen.

Apropos unvollkommen: Die Liste der Güter, die zum sogenannten Weltkulturerbe der UNESCO gehören, ist mittlerweile zu einer beträchtlichen Länge angewachsen, ist aber längst noch nicht vollständig. Vor allem in Deutschland gibt es noch Schätze, die nicht allseits durch die UNESCO gewürdigt werden. Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass Ludwig van Beethoven auf die Liste soll, am Montag meldeten sich auch die Bierbrauer mit der Forderung, deutsches Bier solle als Weltkulturerbe anerkannt werden.

Noch hat niemand gefordert, die deutschen Autobahnen unter UNESCO-Schutz zu stellen. Das wäre aber keine schlechte Idee, wenn man hierdurch die Mautpläne der CSU durchkreuzen könnte.