Milan Sasic will die große Bühne

Dem Trainer des Drittligisten 1. FC Saarbrücken kommt das Pokalspiel gegen Borussia Dortmund gerade recht

  • Frank Hellmann
  • Lesedauer: 4 Min.
Für einen Tag rückt das einstige Bundesliga-Gründungsmitglied 1. FC Saarbrücken wieder in den Fokus des deutschen Fußballs und darf sich im Achtelfinale des DFB-Pokals mit Borussia Dortmund messen.

Milan Sasic kennt sich aus mit Herausforderungen, die Außenstehende als Himmelfahrtskommando beschreiben würden. Der ehemalige Torwart von NK Karlovac, der vor mehr als 20 Jahren zunächst nur zum Urlaub nach Deutschland kam, als der Bürgerkrieg in seiner jugoslawischen Heimat losbrach, hat TuS Koblenz trainiert, als dieser vor dem finanziellen Aus stand. Er hat beim 1. FC Kaiserslautern angeheuert, als der Sturz in die Drittklassigkeit drohte. Und im September dieses Jahres übernahm der 55-Jährige das Traineramt beim 1. FC Saarbrücken, dem der Abstieg in die Bedeutungslosigkeit bevorsteht. »Von meinem Naturell hatte ich nie Probleme mit schwierigen Aufgaben«, sagt der Coach des Vorletzten der Dritten Liga.

Zumindest für einen Tag rücken alle Sorgen in den Hintergrund: Mit dem Pokalspiel gegen Borussia Dortmund kehrt das Bundesliga-Gründungsmitglied 1. FC Saarbrücken am Dienstagabend ins Rampenlicht zurück. Für Sasic ist das Achtelfinale ideal, um dem Standort wieder eine Perspektive zu vermitteln. »Ich arbeite in einem Traditionsverein, in einer Landeshauptstadt - daher muss das Ziel sein, irgendwann in den Profifußball zurückzukehren. Es braucht hier eine große Bühne.« Die bietet heute der altehrwürdige Ludwigspark: Seit Wochen ist das baufällige Oval, um dessen Renovierung über Jahre ein absurder Streit tobte, ausverkauft.

DFB-Pokal

Achtelfinale

Union Berlin - Kaiserslautern Di. 19.00
Hamburg - Köln Di. 19.00
Schalke - Hoffenheim Di. 20.30
Saarbrücken - Dortmund Di. 20.30
Freiburg - Leverkusen Mi. 19.00
Wolfsburg - Ingolstadt Mi. 19.00
Eint. Frankfurt - Sandhausen Mi. 20.30
Augsburg - FC Bayern Mi. 20.30

Viertelfinale 11./12.2.

Der Erstrundencoup gegen Werder Bremen - noch unter Sasic-Vorgänger Jürgen Luginger - und dann das Weiterkommen gegen den FC Paderborn ermöglichten einen Höhepunkt, der die fußballaffine Region elektrisiert. Wobei Sasic sich lieber keinen Illusionen hingibt. »Diese Teams zu vergleichen ist nicht fair, weil Welten dazwischen liegen. Ein durchschnittlicher BVB-Spieler kostet so viel wie unser gesamter Kader. Wir haben nur eine Chance, wenn Dortmund total versagt. Aber man muss auch zugeben: Sie haben die letzten Jahre nur sehr, sehr selten versagt.«

Sasics aktueller Arbeitgeber in seiner bewegten Historie hingegen sehr oft. Großmanns- und Verschwendungssucht, Miss- und Vetternwirtschaft - die Liste der Verfehlungen ist lang. Erst kürzlich ist bei der Jahreshauptversammlung der Hauptsponsor Hartmut Ostermann ein zweites Mal ins Präsidentenamt gehievt worden, dabei sind beim 61-jährigen Unternehmer eigentlich die Wunden aus der ersten Amtszeit nicht vernarbt, als bei Fanprotesten gegen seine Person ein Sarg am Deutsch-Französischen Garten abgestellt wurde. Wie emotional die Basis mitredet, erfuhr der langjährige Aufsichtsratsvorsitzende Reinhard Klimmt, der wegen zu vieler leerer Versprechungen nicht mal mehr ins Kontrollgremium gewählt wurde. Stattdessen sitzen dort nun zwei Fanvertreter.

Die Posse scheint typisch für einen Klub, der zwei Jahre nach dem letzten Bundesligajahr - 1992/93 unter Trainer Peter Neururer - die Zweitligalizenz verlor, weil ein Testat zu spät eingereicht wurde. Zeitweise sackten die Saarländer gar bis in die fünfte Liga ab, ehe Klubikone Dieter Ferner die »blau-schwarzen Löwen« vor drei Jahren Jahren in die Dritte Liga brachte - dort lebt der FCS von der Hand in den Mund. Nur wenige Akteure wie Torwart Timo Ochs (früher u.a. 1860 München, Red Bull Salzburg), Marcel Ziemer (1. FC Kaiserslautern) oder Thomas Rathgeber (Kickers Offenbach) haben höherklassige Erfahrung. Vier Punkte beträgt der Rückstand auf einen Nichtabstiegsplatz.

»Liebe kennt keine Liga«, lautet das Leitmotiv für das ewige Auf und Ab. Noch in den 50er Jahren waren die Saarbrücker gut genug, um bei Real Madrid oder AC Mailand zu gewinnen und galten als das »aufregendste Team Europas«, wie der legendäre Jules Rimet sagte. Ironie der Geschichte, dass dieses Prädikat zuletzt der Champions-League-Finalist Dortmund trug. Sasic gibt sich immerhin so mutig, Vergleiche zum Kollegen Jürgen Klopp anzustellen. »Von der Philosophie sind wir so weit nicht voneinander entfernt: Der Fußball, den er mit Dortmund praktizieren lässt, ist auch meine Spielweise, die ich über Jahre lehre. Vom Grundgedanken ist das kein großer Unterschied, aber natürlich von der Umsetzung.«

Sasic erzählt auch gerne die Episode, wie Klopp in seiner Mainzer Anfangszeit zum ersten Freundschaftsspiel nach Koblenz kam. Dort hat Saarbrückens Trainer übrigens noch immer sein erstes Zuhause. Und im Dreifamilienhaus lebt auch seine Schwiegertochter Celia Sasic, die Torjägerin der deutschen Frauen-Nationalmannschaft, die am Dienstag auf der Tribüne die Daumen drücken wird. »Sie ist ein tolles Mädchen: Ich bin sehr froh, dass jemand in die Familie gekommen ist, der richtig Ahnung vom Fußball hat.«

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