Fit für den Kriegseinsatz

Broschüre zieht Bilanz über militärische, rechtliche und ideologische Aufrüstung der Bundeswehr

  • Frank Brendle
  • Lesedauer: 3 Min.
Das Komitee für Grundrechte und Demokratie berichtet über den Afghanistaneinsatz, das Gefechtsübungszentrum in Schnöggersburg und über Tornados.

Krieg ist für die deutsche Außenpolitik wieder zur normalen Option geworden, und auch im Inneren nimmt das Militär nach und nach seine Stellungen ein. Dieser Prozess vollzieht sich seit Jahren, nicht Knall auf Fall, sondern mit meist wenig beachteten, unspektakulären Einzelschritten, an die man sich schon beinahe gewöhnt hat. Umso wertvoller, dass das Komitee für Grundrechte und Demokratie in einer knappen Übersicht - das Bändchen umfasst gerade einmal 42 Seiten - die wichtigsten Etappen zusammenstellt, in denen die Bundeswehr in den vergangenen Jahren innen- und außenpolitisch aufgerüstet wurde. Im militärischen, aber auch rechtlichen und ideologischen Sinn.

2010 war die letzte Broschüre des Komitees zum Thema Militarisierung erschienen. Die neue Übersicht ist wieder eine eindrucksvolle Bilanz, wie das Friedensgebot des Grundgesetzes weiter durchlöchert worden ist. Ganz oben auf der Liste stehen die 2011 erlassenen Verteidigungspolitischen Richtlinien, jene Militärdoktrin, die unverhohlen androht, für Profitinteressen gegebenenfalls Krieg zu führen, bzw. bei »Störungen der Transportwege und der Rohstoff- und Warenströme … das gesamte Spektrum nationaler Handlungsinstrumente einzusetzen. Dies beinhaltet auch den Einsatz von Streitkräften«, wie es im Original heißt.

Nationale Alleingänge sind dabei weitgehend ausgeschlossen, die Bundeswehr setzt auf gemeinsames Vorgehen im Rahmen von EU und NATO, die ihrerseits die militärische Aggression gegen Drittländer längst zum Programm erklärt haben. Um sich dafür fit zu machen, hat die Bundeswehr auf dem Gefechtsübungszentrum Altmark das Übungsdorf Schnöggersburg eingerichtet - ein High-Tech-Manövergebiet, in dem vorzugsweise der »Kampf in urbanen Räumen« trainiert wird. Sollte dabei nichts zu gewinnen sein, gibt es immer noch Atomwaffen: Die Bundeswehr modernisiert derzeit ihre Tornado-Flugzeuge, damit diese noch bis mindestens 2024 US-amerikanische Atombomben transportieren und abwerfen können.

Anders als die Militarisierung der Außenpolitik hat sich diejenige der Innenpolitik weitgehend unbeachtet vollzogen - gewissermaßen im Windschatten des Afghanistankrieges. Der Versuch, auch diesen Bereich darzustellen, gerät dem Komitee leider etwas holprig und lückenhaft. Zu Recht an den Anfang gesetzt ist das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom Sommer 2012. Die Richter haben mit einer weitgehenden Neuinterpretation des Grundgesetzes den bewaffneten Einsatz der Bundeswehr im Inland auch außerhalb militärischer Bedrohungslagen gebilligt und damit durchgesetzt, wofür Scharfmacher unter den Sicherheitspolitikern nie eine Mehrheit hatten finden können.

Praktisch zeitgleich dazu hat die Bundeswehr Strukturen und Einheiten für den Inlandseinsatz geschaffen, die in der Broschüre allerdings stiefmütterlich abgetan werden. Bei der Darstellung der »Heimatschutzkräfte« in der zivilmilitärischen Zusammenarbeit etwa fehlt der Hinweis auf ihr repressives Potenzial bei der Streikbekämpfung.

Der Hinweis, dass die Militarisierung der Politik eine umfangreiche Feindbildpropaganda, etwa gegen mutmaßliche Terroristen, genauso wie eine Aufwertung des Bildes der eigenen Soldaten in der Öffentlichkeit benötigt, ist zweifellos richtig. Allerdings ist nicht jeder vom Komitee genannte Versuch des Verteidigungsministeriums, die Militarisierung in den Köpfen voranzubringen, geglückt. Der Vorschlag, einen Veteranentag einzuführen, ist vielmehr sang- und klanglos untergegangen. Insgesamt jedoch bietet das Heftchen eine gute Übersicht und ist bestens geeignet, dem Vergessen der Militarisierungsprozesse entgegenzuwirken.

Komitee für Grundrechte und Demokratie: »Krieg beginnt hier«. Im Internet: grundrechtekomitee.de/node/590

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