nd-aktuell.de / 04.12.2013 / Politik / Seite 20

Die Pille für den Mann scheint machbar

Forscher entdecken Proteine, die für den Transport des Spermas bei der Ejakulation zuständig sind

Barbara Barkhausen, Sydney
Australische Forscher haben einen Durchbruch bei der Anti-Baby-Pille für den Mann erzielt. In zehn Jahren soll die Männerpille marktreif sein.

Bisher haben Männer keine große Auswahl, wenn es um Verhütung geht. Kondome und eine Vasektomie, die Durchtrennung der Samenleiter, sind die einzigen Varianten für den Mann. Doch dies soll sich laut einer Gruppe australischer Forscher nun bald ändern. Sie haben es geschafft, zwei Proteine, die den Transport des Spermas während der Ejakulation auslösen, zu blockieren. Ein solcher Blocker - quasi die Pille für den Mann - könne innerhalb von zehn Jahren auf dem Markt verfügbar sein.

Die neuen Erkenntnisse, die die Forscher der Monash Universität in Melbourne im amerikanischen Fachmagazin »Proceedings of the National Academy of Science« veröffentlichten, wurden zunächst bei Mäusen getestet. Die Mäuse hatten normalen Sex, aber kein Sperma wurde ausgeschieden: Die Männchen waren kurzzeitig unfruchtbar ohne Auswirkungen auf das Sperma selbst oder die Libido des Mäusemannes.

Möglich wurde dies, in dem zwei Proteine blockiert wurden, die auf den Muskelzellen sitzen und den Transport von Sperma in Richtung Penis auslösen. »Das Sperma ist nach wie vor vorhanden, aber der Muskel erhält keine chemische Botschaft, es freizugeben«, sagte der Leiter der Studie Sab Ventura. Ähnlich wie bei einer Vasektomie käme es beim Geschlechtsverkehr nach wie vor zu einer Ejakulation - allerdings enthalte diese kein Sperma mehr.

Verhütung in Tablettenform

Nach den Aussagen von Ventura gibt es bereits ein Prostata-Medikament am Markt, das eines der Proteine blockiert. Die nächste Aufgabe sei nun, ein Medikament zu entwickeln, das auch noch das andere Protein zurückhält. Sobald dies abgeschlossen sei, stehe der Pille für den Mann nichts mehr im Wege. »Es wäre dann ein orales Medikament, das man wahrscheinlich täglich einnimmt, ganz genauso wie das weibliche Verhütungsmittel«, sagte der Wissenschaftler dem australischen Sender ABC. In etwa zehn Jahren könnte das neue Produkt auf dem Markt sein.

Bisherige Versuche scheiterten

Die Anti-Baby-Pille für den Mann wäre ein Meilenstein für die Pharmazie. Denn wie das Sperma des Mannes unfruchtbar gemacht werden kann, daran forscht die Welt seit Jahrzehnten. Unter den zahlreichen Experimenten ist beispielsweise der schmerzhafte Selbstversuch des Schweizers Beat Schegg aus den 1980ern. Schegg wollte damals zeigen, wie auch Männer verhüten können und badete dafür seine Hoden in 45 Grad heißem Wasser, um die Spermienproduktion zu senken.

Und auch an einem Produkt wie der Anti-Baby-Pille oder -Spritze wird seit längerem gearbeitet - allerdings mit bisher mäßigem Erfolg. 2011 brach die Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine Studie mit einer möglichen Anti-Baby-Spritze für den Mann ab, da das Präparat zu viele Nebenwirkungen hatte. Zehn Prozent der Männer klagten über Depressionen, Gewichtszunahme und eine veränderte Libido, nachdem sie das Kombipräparat aus Testosteron und Gestagen gespritzt bekamen.

2012 hatte schon einmal eine Substanz namens JQ1 bei den Pharmafirmen und den Kunden kurzzeitig Hoffnung auf ein Produkt aufkeimen lassen. Zumindest bei männlichen Mäusen schaffte es JQ1, die Spermien unfruchtbar zu machen, wie die verantwortlichen Wissenschaftler im Fachmagazin »Cell« berichteten. JQ1 sollte eigentlich gegen Lungen- und Blutkrebs helfen.

Doch schon bald nach der Entdeckung der verhütenden Wirkung von JQ1 warnten Experten in verschiedenen Medienberichten davor, dass die Substanz nicht nur in die Hoden, sondern auch in das männliche Gehirn eindringen und Schaden verursachen könnte. Bei dem neuen Präparat sind eventuelle Nebenwirkungen noch nicht bekannt.