nd-aktuell.de / 04.12.2013 / Kultur / Seite 15

Gegen den Strich

In Weimar haben Absolventen der Bauhaus-Universität ein eigenes Feuilleton-Magazin gegründet

Thembi Wolfram

Das Büro ist bescheiden eingerichtet. Fünf Schreibtische, eine Kaffeemaschine, ein paar Pinnwände mit Druckfahnen und Notizzetteln. Dennoch wird hier der Traum vom eigenen Magazin wahr gemacht: Zwei Absolventen der Bauhaus Universität in Weimar trotzen der Zeitungskrise und gründen kurzerhand ihr eigenes Medium - »Die Epilog«. Die Redakteure sind Ende 20, Redaktionssitz ist Weimar. Eine »Zeitschrift zum Gesellschaftswandel« wollten Herausgeber Mads Pankow und Chefredakteur Fabian Ebeling schaffen.

Auf einem Kleiderschrank stapeln sich Bananenkisten, umwickelt mit Paketband. Darin lagern die Reste der ersten Ausgabe. Pankow lässt sich seufzend auf eines der senfgelben DDR-Sofas im Vorzimmer fallen. Er hatte eine lange Woche. »Ich arbeite 70 Stunden hier. Es ist immer ein ganz schöner Kampf, bis ein neues Heft draußen ist«, sagt er. »Hätte uns jemand vorher gesagt, wie viel Arbeit das ist, hätten wir es nicht gemacht«.

Ein Jahr ist die Gründung von »Epilog« jetzt her. Pankow, gerade fertig mit dem Medienkultur-Studium an der Bauhaus Universität, trifft damals einen Bekannten in einer Weimarer Kneipe. Was er so vorhabe, fragt der. »Ein Magazin gründen«, sagt Pankow. »Machst du mit?« Der Bekannte, Fabian Ebeling, sagt ja und wird Chefredakteur der »Epilog«. Ein Feuilletonmagazin für junge Menschen wollen die beiden schaffen. »Wir wollten mehr bieten als die anderen Magazine: eine neue Perspektive. Gegen den Strich schreiben«, sagt Pankow.

Erfahrene Herausgeber und Journalisten winken ab, wenn er ihnen von seiner Idee erzählt. Ein gedrucktes Heft für junge Leute? Lasst das. Verkauft sich nicht. Macht doch einfach eine Internetseite.

»Internet ist toll«, sagt Pankow, »aber nur mit einem gedruckten Magazin können wir einen geschlossenen Gedanken weitergeben. Mit einem Anfang, einem Ende und dazwischen einem roten Faden.« Die 15 000 Euro für das erste Heft sammeln sie durch Förderungen und »Crowdfunding«, also Internetspenden, und sie investieren Erspartes.

Ein halbes Jahr später liegt die erste Ausgabe an den Kiosken in Deutschland, Österreich und der Schweiz. »Nicht resignieren! Zeitschrift zum Gesellschaftswandel«, prangt auf dem Titel. Die Aufmachung ist modern. Bunte Farben, viel weiße Fläche, große Fotos. 10 000 Stück lässt Mads Pankow drucken. Eine mutige Auflage. Mittlerweile ist die zweite Ausgabe erschienen und vier weitere in Vorbereitung. Alle drei Monate eine. 200 Abonnenten hat die »Epilog«.

In der aktuellen Ausgabe geht es auf knapp 100 Seiten um »Die Wiederverzauberung der Welt«. Der Titel kündigt an: Zaubersprüche und Wunderfußball, Röntgenstrahlen und Märchenprinzen, Universalhirne und natürlich Drogen. Kurze »Theorieschnipsel« greifen Weber, Descola oder Heidegger auf und geben ihnen einen modernen Anstrich. Die Ideen sind klug, der Stil aber bisweilen zu akademisch und verschwurbelt.

In einer Reportage aus Dakar begibt sich der Autor in die Hände eines senegalesischen Geisterheilers. Daneben stehen Auszüge aus dem Labortagebuch des Chemikers Albert Hofmann. Der erfand aus Versehen die Droge LSD und dokumentierte akribisch seinen ersten Trip.

Ein vierseitiger Text über »Die Vereinheitlichung des Designs bei der deutschen Bahn« hält leider, was der Titel verspricht. Im ersten Heft entdeckt Heidegger dafür die »Langeweile«: rauchend und trinkend in einer Freiburger Kneipe, den Blick ins Nirgendwo, die Hand beiläufig auf Hannah Arendts Knie. Ein pointierter und gar nicht langweiliger Text.

Gerade arbeitet Pankow an Heft Nummer drei. »Das ist unser Traum. Wir dachten mal, wenn wir den verwirklichen können, brauchen wir nicht auch noch Geld«, sagt er und lacht. Die meisten Redakteure studieren noch, manche haben einen anderen Job. Der Chefredakteur hat fünf. Pankow: »Wir haben uns wahnsinnig überschätzt, aber ich bin total dankbar dafür. Sonst würde es die ›Epilog‹ nicht geben. So lange wir das Geld für die nächste Ausgabe zusammenbekommen, machen wir weiter.«