Wenn das Auto brummt, freut sich der Mensch

»Wunderbares Fahrgefühl«: In einem Werbefilm strahlt der Unternehmensberater Joseph Fischer über seinen neuen BMW

  • Thomas Blum
  • Lesedauer: 4 Min.

Vom »wunderbaren Fahrgefühl« schwärmt Joseph Fischer und strahlt hinterm Steuer des Elektroautos, für das er Reklame macht, wie ein Honigkuchenpferd, das zum ersten Mal den erleuchteten Christbaum sehen darf. »Der Traum für den ehemaligen Außenminister Joschka Fischer wurde wahr« (Werbetext), denn er darf heute seinen neuen BMW abholen. Dazu klatschen sogar die sauber gescheitelten Arbeiter des Leipziger BMW-Werks Beifall, sie freuen sich so. »Ich konnte sein Leuchten in den Augen sehen«, sagt einer von ihnen, der sich Fischer, dem gottgleich verehrten »Vertreter der grünen Welt« (BMW), nähern durfte. Minutenlang spult Fischer einen mit Superlativen aufgepumpten Werbetext ab. Dazu läuft als Soundtrack sedierende Wohlfühl- und Kaufhausmusik.

Jetzt schreien alle »Verrat!« Der ehemalige grüne Außenjockel Fischer macht Reklame! Und auch noch ausgerechnet für einen bösen Konzern wie BMW, dessen Eigentümer ihren Lieblingsparteien CDU/CSU, wenn sie brav sind, pünktlich und regelmäßig ihr Taschengeld auszahlen.

Dabei ist Fischers Werdegang doch der des idealtypischen Grünen: erst fäusteschwingend bei der linksradikalen Gruppe »Revolutionärer Kampf« Grundkurse in Militanzrhetorik und Salbadern absolvieren und Porno-Bücher übersetzen, später Turnschuhminister und »Realpolitiker« werden, dann Jugoslawien bombardieren lassen. Mit den Worten der Springer-Postille »Die Welt« gesprochen: Fischer sei ein »gern in großen Linien denkender Ex-Politiker«. Wer den langen Lauf des ehemaligen Vorsitzenden der »Anti-Parteien-Partei« (Selbstbezeichnung der Grünen in den frühen 80er Jahren) zu sich selbst über die Jahre hinweg aufmerksam verfolgt hat, dem dürfte nicht entgangen sein, dass »Fischer - lange vor Angela Merkel - die komplett inhaltsfreie, nur am Machterwerb und dem eigenen Weiterkommen orientierte Politik erfand«, wie heute selbst die »taz« zugibt, die nicht gerade im Verdacht stehen dürfte, den Grünen übelzuwollen.

Warum sollte so einer, der früher, in seiner Zeit als Politiker, ein Angestellter der Großkonzerne war, heute nicht weiter seiner erlernten und gewohnten Tätigkeit als Erfüllungsgehilfe und Handaufhalter nachgehen? Das Klatsch- und Wohlfühljournalismusportal »Spiegel Online« formuliert es wie gewohnt extrem kritisch: »Fischer gebührt auch Respekt dafür, wie er den Weg von der Politik in die Wirtschaft konsequent zu Ende geht.« Konsequent den Weg zu Ende gingen vor Fischer ja schon andere Grüne: Fischers alter Kumpel Thomas Schmid etwa, der sich als junger Mann auch dem »Revolutionären Kampf« widmete, den Grünen bereits 1983 empfahl, eine »Mittelschichtspartei« zu werden und heute Springer erfolgreich enteignet hat, indem er Herausgeber der im Axel-Springer-Verlag erscheinenden »Welt«-Zeitungsgruppe wurde. Oder Matthias Berninger, der früher grüner Staatssekretär im Verbraucherschutzministerium war und heute als »Global Head of Public Policy« des Süßwarenkonzerns Mars sicherstellt, dass auch künftig die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Zucker- und Schokoriegeln gewährleistet ist. Überaus konsequent geht derzeit auch Tarek al-Wazir den Weg zu Ende, der Vorsitzende der hessischen Grünen, der sich von seinen neuen Freunden von der hessischen Stahlhelm-CDU jahrelang als »Kameltreiber«, Kommunist und Ausländer beschimpfen lassen musste und heute den Kommunistenfressern aus der Hand frisst.

Welche Gründe sprächen auch dagegen, dass Joseph Fischer, der bereits seit Jahren sein Geld unter anderem damit verdient, Vorträge vor Investmentbankern und »Reden vor Marketingmanagern aus der Bier-, Wurst- und Käseindustrie« (»Handelsblatt«) zu halten, sich heute obendrein als »Werbestarlet für die Automobilindustrie« (»Frankfurter Rundschau«) verdingt? Schließlich ist er Geschäftsmann. Und wenn die Wirtschaft brummt, freut sich der Mensch, wie es in einem alten deutschen Sprichwort heißt. Es fragt ja auch niemand ernsthaft danach, warum die Mafia keine Menschenrechtsorganisation wird.

Dem Handelsregister zufolge gehört zu den Angeboten von Fischers Firma u. a. die »Erbringung von Beratungsleistungen mit den Schwerpunkten strategischer Beratung zur Flankierung unternehmerischer und politischer Entscheidungsprozesse, PR- und Imageberatung«. Aus dem aufgeblasenen Marketingjargon übersetzt heißt das so viel wie: Damit ihr gut dasteht, mach’ ich euch das Werbemaskottchen, wenn die Kohle stimmt. Wer nichts wird, wird Grüßaugust, Eine-Hand-wäscht-die-andere-Beauftragter bzw. »Unternehmensberater« für BMW, den Atomkonzern Siemens und den Stromkonzern RWE, der Atomkraftwerke betreibt.

Dass Elektro-Autos besonders »umweltschonend« seien, wird im Übrigen schon lange infrage gestellt. Zur Fertigung strombetriebener Automobile werden überdies rare Metalle und sogenannte seltene Erden benötigt, die aufwendig von Hungerlöhnern unter oft unmenschlichen Arbeitsbedingungen abgebaut werden.

»Die Welt« freut sich indessen: »Im BMW-Spot hat Fischer wieder einige Kilos mehr auf den Rippen und sieht doch zufriedener denn je aus.« Kein Wunder: Sein Traum wurde wahr. Und jetzt erst mal einen schönen Barolo.

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