Auf dem Königsweg

Rebecca Gablé bei Otto dem Großen

  • Sabine Neubert
  • Lesedauer: 3 Min.

Diesmal führt Rebecca Gablé ihre Leser ins Herz Europas im frühen Mittelalter, genauer, in das ostfränkische (oder auch einfach gesagt, in das deutsche) Reich der Jahre 929 bis 941. Es ist die Zeit, in der Otto, Sohn König Heinrichs I., der später Otto I. oder auch Otto der Große genannt wird, seinen Königsweg antritt, bzw. von Heinrich dazu bestimmt, nach dessen Tod antreten muss. Es ist ein Weg, den er trotz mancher weichen Züge geschickt und durchsetzungsfähig gehen wird.

Im Jahre 936 lässt sich Otto im Aachener Dom auf dem Stuhl seines großen Vorbilds Karls des Großen vom Mainzer Erzbischof in Anwesenheit der vier deutschen Herzöge, von Bischöfen und fast allen Stammesvertretern zum König salben und - das sei hier, historisch ergänzend, schon erwähnt - Jahre später, nämlich 962, in Rom vom Papst zum römischen Kaiser krönen.

In den Jahren, in denen wir ihn hier begleiten, hat er erst einmal alle Hände voll zu tun, seine Königsherrschaft gegenüber Ansprüchen seiner Brüder Thankmar und Henning (Heinrich) zu behaupten, sie gegen Intrigen, Aufruhr und Fehden einiger Herzöge in Kriegszügen zu festigen, die Ostgrenzen des Reiches und damit die Zentralgewalt von seiner Magdeburger Pfalz aus zu sichern.

»So könnte es ungefähr gewesen sein«, schreibt Rebecca Gablé im Nachwort zu ihrem mit prallem Leben gefüllten Roman. Tatsächlich, es könnte so oder so ähnlich gewesen sein. Aber wir wissen ja nicht genau, wie das männlich raue Leben oder das der Frauen in den Burgen mit Liebe, Geburten und Krankheiten, wie frühreifes Kinder- und Kriegsspiel in den mittelalterlichen Königspfalzen tagtäglich abgelaufen sind, wie es in blutigen Schlachten oder bei den Festgelagen der Reichszusammenkünfte in der großen Pfalz in Quedlinburg geklungen haben mag. Rebecca Gablé spricht von einer »reichen Quellenlage« und beruft sich vor allem auf die »Sachsenchronik« des Widukind von Corvey. Durch die Quellen ist der historische Hintergrund des Romans gesichert, revidiert werden nationalistische Vorstellungen, die lange das Bild dieser mittelalterlichen »deutschen« Königszeit verstellt haben.

Hinzu kommt noch ein ganz anderer, reizvoller Grund, in das Buch einzutauchen. Ein großer Teil der historischen Orte und Stätten des Geschehens liegt, lange als solche vernachlässigt und jüngst neu entdeckt, in Mitteldeutschland: Quedlinburg, Merseburg, Memleben oder auch Brandenburg als Fürstensitz der slawischen Heveller, das Otto später im Rahmen seiner Missionspolitik zum Bistum machen wird. Für die Leser werden die Orte womöglich zu Reisezielen.

Der Roman beginnt mit einem blutigen Sturm des deutschen Heeres unter Heinrich auf die Brandenburg, wobei der Hevellerprinz Tugomir gefangen genommen und mit seiner Schwester Dragomira nach Magdeburg verschleppt wird. Es spricht sich schnell herum, dass Tugomir ein Heiler ist. Er rettet Otto das Leben und wird dann sein Leibarzt und Erzieher einer seiner Söhne. Tugomir ist eine interessante Gegenfigur zu Otto.

Zwei kleine »Ausschmückungen« möchte man schließlich erwähnen: Ab und zu schmuggelt die Autorin ein paar Nadelstiche über Ottos (historisch verbürgte) Unkenntnis des Lesens und Schreibens ein. Und in Heinrichs Gemächern, dem die Sage den Beinamen »der Vogler« angehängt hat, lässt sie stets allerlei Vögel in einem Käfig trillern - zur Freude seiner königlichen Enkel.

Rebecca Gablé: Das Haupt der Welt. Historischer Roman. Lübbe. 861 S., geb., 26 €.

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