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Laptop und Beamer gegen Barrieren

Schriftdolmetscher helfen Schwerhörigen im Alltag

  • Marlene Grund, Trier
  • Lesedauer: 3 Min.

Birgit Nofftz sitzt am Rande des Podiums an einem kleinen Tisch und spricht sehr leise, aber überdeutlich in die Sprachmaske vor ihrem Mund. Mit einer kaum wahrnehmbaren Verzögerung erscheinen die Sätze der Redner in Schriftform auf der großen Leinwand hinter ihr, zum Mitlesen für Schwerhörige und Hörende. »Ich spreche nach, was ich höre, einschließlich der Satzzeichen«, erläutert die Schriftdolmetscherin. Eine speziell auf sie eingestellte Computersoftware wandelt die gesprochene Sprache in Schrift um.

Gleichzeitig liest Birgit Nofftz jeden Satz mit und korrigiert per Hand falsch geschriebene Namen oder nicht erkannte Wörter. Besonders häufig stolpert der PC über Begriffe in deutschem Englisch, wie »downgeloadet« oder »coming out«. Derart hochkonzentriert kann die Schriftdolmetscherin bei öffentlichen Veranstaltungen höchstens eine Stunde lang arbeiten, dann wird sie abgelöst.

Die 35 Jahre alte studierte Phonetikerin gehört zu den Pionierinnen des neuen Berufszweiges. Seit 2005 arbeitet sie für Hörgeschädigte, ein Jahr später gründete sie in Trier (Rheinland-Pfalz) die Kombia GbR und startete die Ausbildung von Schriftdolmetschern. Heute leitet sie mit ihrem Mann eine deutschlandweite Vermittlung mit sechs Angestellten. Von den derzeit rund 100 Schriftdolmetschern in Deutschland, die mit Laptop oder Beamer und Spracherkennungssoftware arbeiten, ging ein Fünftel durch ihre Schule.

»Der Bedarf an unseren Diensten ist groß«, sagt Nofftz und verweist auf eine Studie des Schwerhörigenverbandes. Danach müsste es bundesweit rund 1300 Schriftdolmetscher geben, damit die rund eine Million schwerhörige oder ertaubte Menschen in Deutschland ihre elementaren Rechte wahrnehmen können.

Sie schildert den Fall einer jungen Frau, die als Folge einer schweren Krankheit ihr Gehör verlor. Früher begleiteten sie Angehörige zu Arztbesuchen, notierten für sie einen Teil des Gespräches auf einen Block, beantworteten aber viele Fragen selbst. Nie kamen die Informationen vollständig bei der jungen Frau an. Hier kann ein Schriftdolmetscher auch in schwierigen Lebenssituationen das selbstbestimmte Agieren und Entscheiden unterstützen.

Während taub geborenen Menschen in der Regel die Gebärdensprache zur Verfügung steht, bleibt diese für Schwerhörige oder Spätertaubte häufig eine Fremdsprache, in deren Grammatik und Kultur sie sich nicht heimisch fühlen. Eine Vorlesung in Gebärdensprache zu verfolgen, sei dann schwierig, sagt Nofftz. Ein Schriftdolmetscher könne über Inhalte und Fachbegriffe hinaus auch Wortwahl und Sprachstil exakt wiedergeben.

Die gesellschaftliche Debatte über Inklusion wandelt allmählich das Bewusstsein behinderter Menschen. Empfanden sich früher viele als Bittsteller, wenn sie trotz Hörgerät weitere Hilfen brauchten, so fordern sie heute mit weitaus mehr Selbstbewusstsein die ihnen zustehende Unterstützung, in der Ausbildung, auf Ämtern - in der Öffentlichkeit. Auch bei Kommunen und Verbänden, in der Politik und bei den Kostenträgern beginne ein Umdenken in Richtung Barrierefreiheit für Behinderte, stellte Birgit Nofftz fest.

Der Regelstundensatz der Schriftdolmetscher liegt bei 75 Euro. Seit 2001 ist das Berufsbild im Sozialgesetzbuch aufgenommen. 200 Anschläge pro Minute auf der Normaltastatur seien eine der Eingangsvoraussetzungen, sagt Nofftz, »aber das Tempo muss sich im Lauf der Ausbildung dann steigern«. epd/nd

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