nd-aktuell.de / 09.12.2013 / Politik / Seite 14

Club der alten Knacker

Ein bayerischer Sammler hat sich einem der ersten Menschheitswerkzeuge gewidmet

Martina Rathke
Adolf Heidenreich gilt heute als einer der führenden Nussknacker-Experten. Als er in den 1980ern mit dem Sammeln alter Knackhilfen begann, begab er sich auf eine Reise tief in die Kulturgeschichte.

Hätte Adolf Heidenreich aus Gemünden am Main (Bayern) in den 1980er Jahren nicht für die Zeitschrift »Vegetarier« gearbeitet, hätte er viel Geld sparen können. Denn möglicherweise hätte er seine Sammelleidenschaft für Nussknacker nie entdeckt. Mit einem Artikel über Nüsse als Fleisch der Vegetarier, der 1988 in der Zeitschrift erschien, hatte alles begonnen.

»Ich wollte damals auch wissen, wie in den vergangenen Jahrhunderten Nüsse geöffnet wurden.« Seine ersten historischen Nussknacker erstand der Rechtspfleger Heidenreich auf Flohmärkten in Frankreich und Bayern sowie im Antikhandel. Als er später nach Literatur über Nussknacker suchte, stieß er lange Zeit als einzige Quelle lediglich auf seinen 1988 verfassten Artikel. Der 76-Jährige ist auch Verfasser des 2003 erschienenen Standardwerks der Nussknackerei: »Nussknacker - Gestalt und Geschichte«. Derzeit zeigt eine Ausstellung im Kulturhistorischen Museum Stralsund (Mecklenburg-Vorpommern) noch bis zum 23. Februar fast 500 Exemplare der Sammlung Heidenreichs, die rund 1500 Nussknacker umfasst.

Heidenreich ist nicht der einzige Sammler der Hartfrucht knackenden Gerätschaften in Form von Hebel-, Gelenk- oder Torsions-Nussknackern. Nussknacker gehören zu den ältesten Werkzeugen der Menschheit. Schon vor 2,5 Millionen Jahren zerkloppten die Steinzeitmenschen die Schale mit Steinen, um an den nährstoffhaltigen süßen Kern zu gelangen. Die Methoden haben sich über die Jahrtausende verfeinert.

Ganz praktisch, erzgebirgisch klassisch, ironisch oder auch erotisch - die Sammlung von Heidenreich zeigt, dass der Nussknacker für die gehobene Gesellschaft seit dem 16. Jahrhundert mehr als nur ein einfacher Gebrauchsgegenstand war. Während das einfache Volk bis zur einsetzenden Massenproduktion zu Beginn des 20. Jahrhunderts Wal- und Haselnüsse mit dem Hammer zertrümmerte oder mit einfachen Nusszangen zerbrach, legte die feine Gesellschaft Wert auf Repräsentativität. Und sie griff auf fein geschnitzte Hebelnussknacker mit Löwenköpfen aus Buchsbaum oder rüstige Knackhilfen in Ritterform zurück.

Die liebsten Exemplare sind Heidenreich die gusseisernen Nussknacker aus dem 16. Jahrhundert, »ein Beleg der hohen Handwerkskunst«. Eher distanziert ist hingegen sein Verhältnis zu den farbigen Mannsbildern aus dem Erzgebirge oder aus Thüringen.

Um eine Nuss zu knacken, braucht man Kraft. Deshalb seien es meistens Soldaten, Bergleute oder Amtsmänner, die dem Knacker aus Holz die äußere Gestalt geben. Auch politische Bezüge lassen sich finden. Heidenreich zeigt auf einen böse blickenden Napoleon aus dem Jahr 1822 oder einen Eisennussknacker mit einer russischen und französischen Soldatenfigur am Schaftende. Gemeinsam nehmen sie die deutsche Pickelhaube in die Zange. Über Preise seiner historischen Stücke und den Wert seiner Sammlung will Heidenreich nicht reden. Nur so viel: »Ich habe eine sehr nachsichtige Frau.« dpa/nd