Harmlos und unverbindlich

Oper Leipzig: »Walküre«

  • Roberto Becker
  • Lesedauer: 3 Min.

Dass die apolitische Unverbindlichkeit großer Bilder die szenische »Ring«-Lösung fürs 21. Jahrhundert sein soll, hat Frank Castorf letzten Sommer in Bayreuth schlagend widerlegt. Doch nicht nur daran gemessen bleibt Rosamund Gilmore in Leipzig auch mit ihrer »Walküre« betont harmlos. Wenn auf Hundings Betonbehausung auch Stacheldraht ausgerollt ist, wenn die imperiale Architektur Wotans und die Arkadenfassade hinter dem Walkürenfelsen der Götterwelt auch eine gewisse Militanz zuschreiben, wenn die Walküren in ihren schick abgerissenen Uniformversatzstücken auch mit Gewehren herumfuchteln, so bleibt das doch Behauptung ohne Erkenntnisfolgen.

Hinzu kommt, dass sich Gilmore in Sachen Personenführung, wie schon im »Rheingold«, auf eine Hintergrundchoreografie für ihr tänzerisches Zusatzpersonal herausredet und die Protagonisten oft wie Standbilder an der Rampe postiert. Das bereichert weder die Begegnung von Siegmund und Sieglinde, noch die große und eigentlich intime Abschiedsszene zwischen Wotan und seiner rebellischen Tochter Brünnhilde.

So wirkt der vokal strahlende Siegmund Guy Mannheim eher wie der nette Nachbar, nicht wie Wotans Hoffnungsträger in Sachen Welt. Wenn er seine Sieglinde (Christiane Libor) zum »Blühe denn Wälsungenblut« auf den Küchentisch hievt, ist man froh, dass der Bühnenbildner Carl Friedrich Oberle für ein recht stabiles Exemplar gesorgt hat. So wie diese aufregende, inzestuöse Liebesaffäre hier arrangiert ist, könnte ohne Weiteres der für sein Rumstehen berüchtigte Bayreuther Siegmund Johan Botha einspringen. Und das ist kein Kompliment.

Auch der Gott selbst ist standhaft bis zur gestischen Erstarrung - obwohl Markus Marquardt als erstklassig nobler und eloquenter Wotan das Ensemble anführt. Bei der zu scharfen Brünnhilde Eva Johansson ist mehr Dynamik im Spiel, und das nicht nur, weil sie keinen Schritt ohne ihren Gaul macht. Grane (Ziv Frenkel) ist hier zu einer Art vorzeitlichem Bodyguard mutiert und dauerpräsent. Einzig Kathrin Göring bleibt es vorbehalten, als Sängerdarstellerin im eleganten Götterkostüm ihrer Fricka als Hüterin der Moral wirklich darstellerisches und sängerisches Profil zu verleihen.

Dass die Walküren bei ihrem militanten Auftritt die gesamte vokale Munition abfeuern, über die sie verfügen, war kein Wunder bei dem Blechgewitter aus dem Graben. Überhaupt hat es Ulf Schirmer am Pult ab und an ziemlich krachen lassen. Andererseits bremste er besonders im ersten Akt die Sänger so aus, dass es schon eine Leistung war, dass weder die Zwillinge noch Hunding (solide: James Moellenhoff) einbrachen.

Das Publikum würdigte die Leistung der Sänger angemessen und sparte weder bei der Regie noch beim Chef des Hauses für seine Leistung am Pult des Gewandhausorchesters mit deutlichen Buhs.

Nächste Vorstellung: 22.12.

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