nd-aktuell.de / 12.12.2013 / Kultur / Seite 15

Monstertrucks online

Springer und N24

Jürgen Amendt

Ein Verlag steigt in das TV-Geschäft ein. Das ist auf den ersten Blick nichts Ungewöhnliches. Bertelsmann etwa mischte von Anbeginn des Kommerzfernsehens an als RTL-Eigner in Deutschland kräftig auf dem TV-Markt mit. Die Unternehmensstrategie vor rund 30 Jahren, neben Druckerzeugnissen auch bewegte Bilder zu produzieren, war gut begründet: Die Mediengewohnheiten, so die Annahme, würden sich durch das Privatfernsehen grundlegend verändern, Fernsehen werde nicht mehr ein Informationsmedium mit beigestellter Unterhaltung sein, das ähnlich der Zeitung bewusst rezipiert, sondern als alltägliches Hintergrundrauschen konsumiert werde.

Heute ist das Internet das alltägliche Hintergrundrauschen der Medienwelt und der Springer-Verlag nistet sich mit dem Kauf des TV-Senders N24 in dieser Welt ein. Der Kanal, an dem Stefan Aust, der künftig als Herausgeber der »Welt«-Gruppe von Springer firmieren wird, als Eigentümer beteiligt ist und den er als Geschäftsführer leitet, ist nicht Sat.1, nicht Pro 7, nicht Kabel 1. N24, im Jahr 2000 gegründet, wurde seit seiner Übernahme durch Aust vor drei Jahren programmatisch an seine künftige Nutzung angepasst - an das Internet nämlich. Das Programm besteht neben Nachrichten hauptsächlich aus Dokumentationen. Das Themenspektrum ist breit gefächert: Es gibt Reportagen über die »Faszination Monstertrucks«, »Die gefährlichsten Flugzeuglandungen«, aber auch Historisches wie »Womit spielten Kinder im römischen Reich?« oder Dokus über die NS-Zeit.

Viele der Reportagen sind durchaus informativ und wissenschaftlich fundiert. Beispielsweise die Reihe »Die Zukunft ohne Menschen«, die sich spekulativ, aber durchaus ernsthaft mit der Frage beschäftigt, was aus der Erde würde, verschwänden die Menschen von einem Tag auf den anderen von diesem Planeten. Wenn die Doku-Serie aber im Wochenrhythmus wiederholt wird, wünscht man sich als Zuschauer, das möge doch auf die N24-Website in die Mediathek verbannt werden. N24 war von Anfang weniger ein TV-Sender als ein kommender Internet-Kanal. Als solcher soll er nun dem Springer-Verlag zu Diensten sein und bewegte Bilder für den Online-Auftritt der Springer-Medien produzieren.

Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner hat ein klares Ziel. Er will mit dem Online-Journalismus Geld verdienen. Um Platz zu haben für die neue Einrichtung hat man sich vom Print-Ballast befreit und vor einigen Monaten Regional- und Publikumszeitungen abgestoßen. Im Gegenzug kamen prominente Namen aus dem Printgewerbe zu Springer. Vor Stefan Aust waren das u.a. Matthias Matussek, Henryk M. Broder und Georg Mascolo (alle drei wie Aust vom »Spiegel«).

Die Zukunft des Journalismus liegt im Internet, lautet das neue »Springer«-Mantra. Seit Kurzem kursiert ein Grundsatzpapier zum künftigen Selbstverständnis des Verlags. »Wir sind und bleiben ein Verlag, also ein Haus des Journalismus«, heißt es da gleich zu Beginn. Im Folgenden taucht sehr oft das Wort »digital« auf, die Suche nach dem Begriff »print« bringt es auf exakt null Treffer.