Viel Zeit zu verschenken

Initiative empfiehlt mehr Freizeit für Familie und Freunde statt für den Konsumrausch

  • Franziska Hof, Frankfurt/Main
  • Lesedauer: 2 Min.
Schluss mit der ungeliebten Krawatte: Jedes Jahr bleiben viele Geschenke nach Weihnachten ungenutzt liegen. Immer mehr Menschen verweigern sich dem festlichen Konsum zum Fest.

Ein Einkaufszentrum an einem Nachmittag in der Vorweihnachtszeit: Menschenmassen drängen sich auf der Suche nach Geschenken durch die Einkaufspassage. Doch eine kleine Gruppe in roten Jacken lässt die Hektik kalt. In aller Ruhe gehen sie auf die Passanten zu, verwickeln sie in Gespräche und verteilen Gutscheine. Nicht etwa, um die Menschen zum Kauf zu verlocken. Sondern um etwas zu verschenken, das man nicht kaufen kann: Zeit.

»Zeit schenken« heißt eine Aktion der Stadt Frankfurt am Main. »Keiner weiß, was er zu Weihnachten kaufen soll. Dabei ist Zeit das Beste, was man schenken kann«, sagt Frank Goldberg, Geschäftsführer des Präventionsrats, der sich die Aktion ausgedacht hat. Er habe die Erfahrung gemacht, dass in vielen Familien die Zeit fehle. Zuwendung werde durch Konsumgüter ersetzt. Deshalb geht er vor Weihnachten mit seinen Kollegen in »Konsumtempel«, um Denkanstöße zu geben. »Zeit und Geschenke mit persönlichem Wert werden wichtiger«, sagt auch Trendforscher Andreas Steinle vom Zukunftsinstitut in Frankfurt. Die Menschen hielten mehrere Bälle gleichzeitig in der Luft, seien gestresst, zugleich lebten viele Familien voneinander entfernt. Zeit werde immer kostbarer. Dies führe sogar so weit, dass Freizeit zunehmend die klassischen Statussymbole ablöse.

Wer seine freie Zeit verschenken möchte, findet viele Anregungen: Auf der Internetseite »Zeit statt Zeug« kann man zum Beispiel mit einer elektronischen Postkarte zu gemeinsamen Aktivitäten wie einem »Kochabend statt Kochbuch« oder »Zoobesuch statt Stofftier« einladen und dabei das eigene Konsumverhalten hinterfragen. »Wir wollen ohne erhobenen Zeigefinger dazu anregen, die Zeit sinnvoller zu nutzen«, sagt Nanna Beyer von der Wiesbadener Medienagentur Scholz & Volkmer, die die Internetseite entwickelt hat.

Selbst »Zeit in Dosen« kann man kaufen - zumindest als Gutschein in einer Metalldose verpackt. Erfinder Dieter Hauser zufolge ist die Idee unter Zeitdruck entstanden. »Zeit ist knapp«, sagt der Verpackungsdesigner. Warum solle man sie nicht verschenken, habe er sich gedacht und das Produkt entwickelt. Welchen Wert der Zeitgutschein bekommt, kann jeder für sich entscheiden. dpa/nd

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