Werbung

Überflüssig und entsorgt?

Staatsanwalt ermittelt in Mecklenburg-Vorpommern wegen des Verdachts unerlaubter Ferkel-Tötungen

  • Winfried Wagner, Alt Tellin
  • Lesedauer: 3 Min.
Mit heimlichen Filmaufnahmen wollen Tierschützer illegale Tötungen in einer Ferkelaufzucht belegen. Die Firma, in deren Ställen 6000 Ferkel pro Woche geboren werden, weist das zurück.

Nach einer Reportage über Ferkeltötungen bei der Schweinezucht in Alt Tellin (Kreis Vorpommern-Greifswald) ermittelt jetzt die Staatsanwaltschaft. »Es gibt einen Anfangsverdacht des Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz«, sagte Oberstaatsanwalt Gerd Zeisler am Donnerstag in Neubrandenburg. Im ARD-Politikmagazin »Report Mainz« hatte am Dienstag ein anonymer Mitarbeiter der Alt Telliner Ferkelzuchtanlage der Straathof-Gruppe behauptet, dass man »überzählige Ferkel« getötet habe, um rechtzeitig Feierabend zu haben. Neben Alt Tellin wurden weiteren Schweinehaltern in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Niedersachsen solche illegalen Tötungen vorgeworfen.

Die Tierschutzorganisation Animal Rights Watch hatte der Schweinezuchtbranche daraufhin »massenhaftes« und verbotenes Töten von Ferkeln vorgeworfen. Branchenverbände und der Deutsche Bauernverband wiesen die Vorwürfe vehement zurück. Mecklenburg-Vorpommerns Agrarminister Till Backhaus (SPD) forderte bereits Ermittlungen der Justiz. »Hier wurden eindeutig Grenzen überschritten und Leben zerstört. Solche Betriebe müssen die volle Härte des Gesetzes spüren«, erklärte der Minister. Einige »schwarze Schafe« dürften nicht den Ruf einer ganzen Branche ruinieren.

Als »überzählig« wird bezeichnet, wenn die Sau mehr Ferkel wirft, als sie Zitzen zum Säugen hat. Die Straathof-Gruppe, die in Alt Tellin mehr als 10 000 Sauen hält, die wöchentlich 6000 Ferkel zur Welt bringen, weist Berichte zu angeblich illegalen Praktiken zurück. Überzählige Ferkel würden von Ammentieren - also Ersatzmuttertieren - aufgezogen. »Jedes Ferkel bringt Geld, wir würden uns selbst schaden, wenn wir gesunde Tiere töten«, sagte Firmensprecherin Mandy Döppner. Getötet würden nur stark unterentwickelte und missgebildete Ferkel.

Das zuständige Kreisveterinäramt hat keine Hinweise, dass in den Schweinezuchtanlagen in Alt Tellin und Medow Ferkel gesetzwidrig getötet werden. Das sagte Amtsleiter Holger Vogel am Donnerstag. Dabei sei das Töten per Kopfschlag, wie es in dem TV-Beitrag gezeigt wurde, durchaus gängige Praxis. »Das sind zwar barbarische Bilder, aber es geht auch nicht, dass wir Tötungsmittel an Mitarbeiter ausgeben«, erklärte Vogel. Das sei gesetzlich nicht möglich und es bestünde Missbrauchsgefahr.

»Insgesamt ist eine sachlichere Debatte nötig« forderte Vogel, der auch den Landesverband der Tierärzte im öffentlichen Dienst führt. Die Politik wälze das Problem auf die Behörden ab, die aber schon engmaschig kontrollierten. So große Tierhaltungen stünden im Wettbewerb mit der Schweinemast in Brasilien, die den Markt bestimme. Wenn man so große Strukturen nicht wolle, müsse man die politischen Bedingungen ändern.

Allerdings gehe es in kleinen Tierhaltungen nicht unbedingt besser zu. »Manche haben Mühe, ihr Tiere zu ernähren«, sagte Vogel. Die Staatsanwaltschaft prüft unterdessen die Vorwürfe gegen die Schweinezucht Alt Tellin GmbH. »Wenn es solche Anweisung gab, dass Ferkel erst betäubt und dann getötet werden sollen und die Anweisung nicht befolgt wurde, hätten sich die betreffenden Mitarbeiter schuldig gemacht«, sagte Zeisler.

Der Tierschutz-Landesverband in Demmin erklärte, dass es in der industriellen Tierproduktion seit langem üblich sei, überzählige oder nicht wirtschaftliche Nutztiere wie Ferkel, Kälber oder Küken, zu töten. So würden Millionen Küken jährlich zerschreddert, weil sich ihre Aufzucht nicht rechnet. Die Devise der »Massentierhalung« sei »Hauptsache billig«. Zudem seien die in den Ställen arbeitenden Menschen oft keine Fachkräfte. dpa/nd

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal